LaNague 04 - Detektiv im Cyberland
Höhepunkte hatte und schließlich in einer großen gleichzeitigen Explosion endete.
Ich suchte den Knopf aus dem Stapel heraus und glitt mit dem Sessel in die Mitte des Wohnabteils und drehte ihn so, daß er mit der Lehne zu Lynnies Holo stand. Als der Sessel sich nach hinten legte, zögerte ich.
Eigentlich sollte ich das nicht tun, sagte ich mir. Das ganze Jahr bist du nun schon dabei, dich allmählich zu entwöhnen. Du hast es geschafft, drei Wochen ohne einen Knopftrip durchzuhalten. Ein Rekord. Du bist schon so gut wie clean. Warum willst du das jetzt alles zunichte machen? Der übermorgige Tag wird um vieles leichter zu überstehen sein, wenn du das verdammte Ding sofort wieder in die Schublade legst und schlafen gehst.
Gute Argumente, klangen sehr einleuchtend. Aber sie konnten eine realistische Erkenntnis nicht verdrängen: Wenn ich morgen entknopft wäre, gäbe es für mich keine Wahlmöglichkeit mehr, bis ich mich wieder verdrahten ließe, und das wäre frühestens in einem halben Jahr möglich. Heute abend mußte es sein. Danach unterschiede ich mich nicht mehr von den anderen Leuten, außer, daß ein Teil von mir vernarbt wäre. Ein sehr wichtiger Teil von mir wäre für ewig – oder fast für ewig – völlig taub. Ich brauchte einen letzten Kitzel, einen letzten Trip, um der alten Zeiten willen. Lang, lang ist’s her. Kein vernünftiges Argument würde mich davon abhalten, ein letztes Mal einen Knopf einzusetzen.
Ich fügte gerade den Knopf in die kleine Vertiefung in meiner Kopfhaut ein, als ich durch die Tür eine Bewegung wahrnahm. Ich hielt inne und verfolgte, wie der Streuner durch den Flur auf meine Abteiltür zuhuschte. Ich spürte, wie meine Kiefermuskeln sich spannten. Wenn dieser kleine Bastard meinte, er könne einfach hier einfallen und herumjammern und betteln, um doch noch die Nacht hier zu verbringen, dann würde ich ihm schon klarmachen, wo es langging. Ich brauchte meine Ruhe, meine Privatsphäre. Ich mußte mal wieder alleine sein, wenigstens für eine …
Er klopfte nicht und drückte auch nicht auf den Türsummer. Er stand nur für einen Moment da und sah die Tür an, dann legte er sich auf den Korridorboden und rollte sich zusammen, wobei er mir den Rücken zuwandte.
Dieser kleine Satansbraten wollte tatsächlich die Nacht über vor meiner Tür campieren, ohne mir ein Sterbenswörtchen davon mitzuteilen!
Ich beobachtete das langsame Heben und Senken seines mageren kleinen Rückens, als er einschlief. Ich strich mit den Fingern über den Knopf in meiner Hand. Ich konnte ihn immer noch einsetzen, wie ich es eigentlich vorgehabt hatte. Die Tür war schalldicht, und er würde niemals wissen, was ich tat.
Aber ich würde wissen, daß er dort lag.
Ich starrte ihn an. Er sah so zerbrechlich aus, wie er da lag und herumrutschte, um die bequemste Lage zu finden. Ich dachte daran, daß er die ganze Nacht auf dem harten Boden im kalten weißen Licht zubringen würde, während ich ruhig und weich in meinem dunklen Wohnabteil lag und selig schlief.
Na und? Es war schließlich seine Entscheidung, oder nicht? Er könnte längst wieder zu seiner Bande zurückgekehrt sein und in ihrer Mitte schlafen. Sicher. Geschützt. Unterirdisch. In den alten U-Bahntunnels.
Ich seufzte ergeben und wanderte mit dem Sessel zur Schublade, warf den Knopf wieder hinein, dann begab ich mich zur Tür. Vielleicht war es so wirklich am besten, sagte ich mir. Es würde am Morgen alles einfacher machen … und in all den einsamen Nächten danach.
Ich ließ die Tür undurchsichtig werden – ich sah keinen Sinn darin, ihm mein kleines Geheimnis zu verraten – und zog sie auf. Ich stieß ihn mit dem Fuß an.
»Komm schon rein!« zischte ich wütend. »Was sollen denn die Nachbarn denken, wenn sie dich hier draußen sehen?«
Er zeigte mir ein schüchternes Lächeln, während er schwankend auf die Füße kam. Mit einem unwirschen Knurren zeigte ich auf die Couch und löschte dann das Licht.
10
B.B. genoß das aufregende Erlebnis, in einem richtigen Wohnabteil aufzuwachen und ein Wohnabteil-Frühstück einzunehmen. Ich überließ ihm sogar die Dusche und meine Wasserzuteilung für den Tag – eine geradezu überwältigende Attraktion. Als er geduscht, angezogen und satt war, schickte ich ihn, selig, sauber und zufrieden, in den Tag und versprach, ihn später in meinem Büro zu treffen.
Als ich sicher sein konnte, daß er sich wirklich entfernt hatte, kippte ich den Inhalt meiner Knopfschublade in die
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