LaNague 04 - Detektiv im Cyberland
Tasche meines Overalls und eilte zur nächsten Röhrenstation. Ich bemühte mich, an gar nichts zu denken, während ich zum Boedekker North fuhr. Ich hatte keine Lust, mich schon jetzt intensiver mit dem zu beschäftigen, was ich an diesem Morgen mit mir tun lassen wollte.
Der Begriff Kastration geisterte mir durch den Kopf.
Nicht, daß ich für den weiblichen Teil meiner Rasse im Augenblick von großem Nutzen gewesen wäre, aber ohne den Draht wäre ich noch nicht einmal für mich selbst von Wert. Es heißt, daß man, nachdem man entknopft wurde, wieder lernen kann, mit einer Frau zusammenzusein. Es sei zwar in keiner Weise so gut wie mit dem Knopf, aber man könnte es wirklich neu lernen.
Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich es überhaupt versuchen sollte.
Ich wanderte einige Zeit in der Umgebung des Boedekker North herum und wollte Zeit gewinnen. Schließlich entschied ich, daß ich es lange genug vor mir hergeschoben hatte. Ich würde nichts dadurch gewinnen, daß ich noch länger wartete. Ich betrat die Räume der NeuroNex-Filiale und …
… stellte mich in eine Warteschlange.
Damit hatte ich nicht gerechnet. Ein wirklich seltsamer Anblick. Die anderen Kunden trugen allesamt Holo-Anzüge – so sah ich zwei Joey Josés, eine Suki Alvarez, einen Pepito Ito – und wartete auf die Medi-Tech. Sie rief jeden in ihr Büro; ein paar Minuten später kamen sie wieder heraus und verschwanden. Es sah aus, als tätigten sie irgendwelche Käufe, aber das ergab irgendwie keinen Sinn. Simple Käufe von Knöpfen und Zubehör ließen sich viel schneller abwickeln – und mit weitaus größerer Vertraulichkeit –, wenn man die Ausgabekonsolen an der Wand benutzte. Ich brauchte selbst einen Angehörigen des Personals. Schließlich war ich ja wegen einer Prozedur gekommen.
»Sind Sie hier alleine?« rief ich ihr über die Köpfe der anderen zu.
»Bis das Mädchen für den Verkauf da ist, bin ich es.« Sie lächelte. »Wir lassen sie an einem Morgen in der Woche immer ausschlafen.«
»Ich war vor Ihnen hier«, sagte ein hagerer, ausgemergelt aussehender Bursche. Er trug keinen Holoanzug.
»Niemand hat das Gegenteil behauptet.«
»Ich wollte nur darauf aufmerksam machen«, sagte er mürrisch.
Schließlich waren die Holoanzüge alle abgefertigt. Nur ich und mein höflicher Vorgänger waren noch übriggeblieben. Er schlurfte zum Schalter.
»Ich will ein paar Nanos spenden.«
Die Technikerin betrachtete ihn prüfend von oben bis unten. Sie hatte rote Haare, einen üppigen Körper und ein rundes Gesicht mit roten Wangen. Ein pummeliger kleiner Engel, nur machte sie im Augenblick ein finsteres Gesicht.
»Warst du nicht schon vergangene Woche hier, Stosh?«
»Ja, aber …«
»Kein Aber. Zwischen den Spenden muß eine Pause von zwei Wochen eingehalten werden, kein Zehntel weniger. Das weißt du genau. Ich sehe dich dann in einer Woche.«
Er schwankte hinaus und wandte seine Augen ab, als er an mir vorbeikam.
»Was kann NeuroNex für Sie tun?« fragte sie mich.
»Ich will eine Prozedur.«
Ihr Interesse nahm sichtbar zu. »Ach ja? Und welche?«
Ich sah mich um und vergewisserte mich, daß der Raum leer war. Dies war etwas, das ich nicht unbedingt in der Öffentlichkeit breittreten wollte.
»Ich möchte mich entdrahten lassen.«
Ihre Augen weiteten sich, und deren blaue Farbe schien intensiver zu werden. »Tatsächlich?«
»Ist daran etwas nicht in Ordnung?«
»Nein. Natürlich nicht. Es ist nur, daß Sie nicht aussehen wie der typische …« Ihre Stimme verstummte.
»Knopfkopf?«
»Kein besonders schöner Ausdruck. Wir ziehen ›direkter limbischer Neurostimulator‹ vor.«
»Und Sie meinen, ich sollte wahrscheinlich genauso aussehen wie der Bursche, den sie gerade weggeschickt haben?«
»Wir versuchen stets, diesen Auswüchsen entgegenzuwirken. Übrigens, Sie müssen eine Erklärung unterschreiben.«
»Ich weiß.«
Hatte das erwartet. Die Leute bei NeuroNex hatten den Draht installiert, rund ein Jahr, nachdem Maggs abgereist war. Damals hatte ich eine Erklärung unterschreiben müssen, die besagte, daß ich die Information über die möglichen physischen und psychosozialen Folgen gelesen und verstanden hatte, die sich bei einem Knopfkopf einstellen können, und daß ich NeuroNex von jeglicher Haftung dafür befreite. Nun wollten sie, daß ich sie von jeglicher Verantwortung und Haftung für die möglichen Folgen befreite, die sich daraus ergaben, daß man kein Knopfkopf mehr war.
Sicher. Warum
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