LaNague 05 - Der Tery
ihm. Versunken starrte er auf das Bild eines Mannes, das an der Wand vor ihm hing. Jon öffnete den Mund, um etwas zu sagen …
… aber das Bild kam ihm zuvor.
XII
Es tut mir leid, dir das sagen zu müssen, Steven, aber es bleibt mir nichts anderes übrig, als dir deine Bitte abzuschlagen. Die Streitkräfte der Föderation greifen nur in bestimmten, engbegrenzten Regionen ein, und dein Ersuchen um eine Intervention auf Jacobi IV erfüllt nicht die in der LaNague-Charta festgelegten Voraussetzungen. Die Errichtung eines Protektorats auf diesem Planeten würde im Widerspruch zu den erklärten Zielen des Suchdienstes der Kulturbehörde stehen, der sich zur Aufgabe gemacht hat, die Vielfalt menschlicher Entwicklungen zu bewahren und zu fördern. Die Psi-Leute auf Jacobi IV, die du uns beschrieben hast, sind offensichtlich auf dem besten Wege, sich zu einem neuen Zweig der Zivilisation zu entwickeln; die Intervention einer interstellaren Zivilisation zu diesem Zeitpunkt würde den jungen Trieb ersticken. Ich fürchte, deine talent-begabten Freunde müssen selbst einen Ausweg aus ihrer mißlichen Lage finden, und ich wünsche ihnen dazu alles Glück zwischen den Sternen. Du darfst ihnen selbstverständlich helfen, aber nur mit den dort verfügbaren Mitteln. Viel Glück, Steve. Ende.
»Verdammt« sagte er ärgerlich mit zusammengepreßten Zähnen und stellte das Tonband ab. Es war sinnlos, sich das Band noch einmal anzuhören. Es konnte kaum noch einen Zweifel geben, daß die Entscheidung seiner Vorgesetzten unwiderruflich war. »Diese sturen, engstirnigen …«
Er drehte sich um und erblickte den Tery, der in der Schleuse stand.
»Jon?«
»Wohnst du hier, mitten in der Furcht?« fragte der Tery. In seiner rauhen Stimme schwang ein ehrfürchtiges Staunen.
»In der Furcht?« Er war einen Moment verwirrt, bis ihm klar wurde, daß Jon von der Ultraschallzone des Schiffs sprach, die im vegetativen Nervensystem jedes höher entwickelten Organismus, der sich in Reichweite befand, einen Fluchtreflex auslöste. »Ach, das meinst du! Damit halte ich Neugierige fern. Aber wie bist du hereingekommen?«
»Ich dachte, Tlad ist in Schwierigkeiten. Aber du bist gar nicht Tlad, habe ich recht?«
»Ja. In Wirklichkeit heiße ich Dalt, Steven Dalt.« Trotz seines tierhaften Aussehens begriff dieser Tery schnell. Dalt versuchte vergebens, ebenso schnell eine glaubhafte Erklärung zu erfinden, die ihm erlaubt hätte, seine Tarnung aufrechtzuerhalten. Er überlegte sorgfältig, bevor er weitersprach. Der Tery empfand Achtung für ihn und fühlte sich in seiner Schuld – er war durch das Kraftfeld der Furcht hindurchgegangen, weil er geglaubt hatte, Tlad brauchte Hilfe. Warum sollte er diesen Vertrauensvorschuß durch eine offenkundige Lüge verspielen?
»Aber du bist doch immer noch mein Freund, oder?« fragte Jon eindringlich mit so viel Naivität und Ernsthaftigkeit, daß Dalt gerührt war.
»Ja, Jon«, sagte er zu ihm, »ich bin immer noch dein Freund, und ich werde es immer bleiben. Ich bin hier, um den Psi-Leuten und dir zu helfen, und dazu brauche ich ganz dringend deine Unterstützung.« Er streckte seine Hand aus und entfernte einen dünnen silbrigen Faden von der rechten Schulter des Tery. »Ich habe diesen Orter an dir angebracht, bevor du dich aufmachtest, Adriel zu retten. Ich habe einige davon hier und da unter die Psi-Leute verstreut … das hilft mir, ihnen auf der Spur zu bleiben.«
Er legte das Fädchen auf eine Konsole, dann entnahm er einem Schlitz neben der Schleuse eine kleine Scheibe und drückte sie dem Tery in die Hand.
»Halte sie gut fest, wenn wir durch die ›Furcht‹ gehen. Sie wird dich davor beschützen. Ich habe eine hier in meiner Gürtelschnalle.«
So durchquerten sie ungehindert den Schimmer, der Dalts Raumschiff vor fremden Blicken verbarg, und das Kraftfeld, das es durch Aussendung von Nervenimpulsen abschirmte.
Dalt ließ sich mit gekreuzten Beinen im Schatten einiger nahe stehender Bäume nieder und bedeutete dem Tery, sich neben ihn zu setzen. »Wenn du es dir bequem gemacht hast, werde ich dir alles über mich erzählen. Wenn ich damit fertig bin, wirst du hoffentlich genug wissen, um den Wunsch zu haben, das, was du eben gesehen hast, als Geheimnis für dich zu behalten.«
Er begann mit einem historischen Überblick – wie die Muttererde beschlossen hatte, die Sterne zu kolonisieren und so auf einen Schlag alle Unzufriedenen, Abweichler und Ruhestörer loszuwerden. Sie
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