LaNague 05 - Der Tery
ungeschlachte junge Mann hatte etwas an sich, das er beschützen und in seiner Nähe behalten wollte. Er wußte nicht, ob er es Unschuld oder Würde nennen sollte, oder ein Gemisch von beidem. Jedenfalls war es etwas Gutes, und es war in Jon vorhanden, und er wollte nicht mitansehen müssen, wie es in der Höhle in Stücke gerissen wurde.
Jon versuchte zu lächeln – aber es kam nur eine unnatürliche Grimasse dabei heraus. »Ich werde schon nicht sterben.«
»Wer weiß. Es ist durchaus möglich, daß du doch umkommst. Also überlege es dir gut.«
»Da gibt es nichts zu überlegen, Tlad. Ich bin der einzige, der gehen kann. Ein Mensch – das heißt jeder, der wie ein Mensch aussieht – kann nicht gehen, nur ein Tery kann es. Also muß ich gehen.«
»Nein! Wir finden vielleicht eine andere Lösung! Die Talente könnten sich ja verborgen halten, bis die Zeiten besser sind und sie wieder aufblühen. Du brauchst nicht dein Leben für sie zu geben!«
»Ich werde aber nicht sterben. Ich werde sie retten, und dann müssen sie mich als einen der Ihren akzeptieren. Sie werden mir die Ehre erweisen müssen, in mir einen Menschen zu sehen.«
Das war es also, dachte Dalt. Es war die Mutprobe, die dem Tery die Mitgliedschaft in der menschlichen Gemeinschaft verschaffen sollte.
»Das ist nicht notwendig, Jon. Du …«
»Ich gehe, Tlad.« Wieder dieser endgültige Ton. »Sag mir, was ich rausholen soll.«
»Wenn du überhaupt gehst, wirst du zweimal gehen müssen!« rief Dalt, dann wartete er auf die erhoffte Wirkung.
Jon blieb ungerührt. »Dann gehe ich eben zweimal. Aber erkläre mir, warum. Ich sollte doch das Versteck finden und so viele Waffen zurückbringen, daß die Talente …«
»Es wird keine Waffen für die Talente geben«, sagte Dalt. »Ich befürchte, daß sie den Psi-Leuten nicht nur von Nutzen wären, sondern ihnen auch zu großem Schaden gereichen könnten. Die Waffen aus dem Versteck würden ihnen zuviel Macht geben und könnten das Emporkommen eines neuen Mekks begünstigen – eines Mekks, ausgestattet mit dem Talent. Das Versteck muß zerstört werden.«
Jon machte keine Bemerkung, aber sein Blick bohrte sich in Dalts Augen.
»Vertraust du mir?« fragte Dalt schließlich.
»Ohne dich wäre ich jetzt tot.«
»Das bedeutet noch lange nicht, daß ich recht habe und daß du mir vertrauen sollst. Es bedeutet nur …«
»Ich vertraue dir!« brüllte Jon; seine Stimme klang ohrenbetäubend in der winzigen Kammer.
»Gut«, sagte Dalt leise. »Denn ich vertraue dir auch.«
Dann zeichnete er in den Staub auf den Boden ein Bild der Bombe, die Jon ihm aus dem Versteck mitbringen sollte. Sie war eiförmig, klein genug, um in des Terys Hand zu passen, und stark genug, um eine Kettenreaktion unter den übrigen Waffen auszulösen. Nach der Inventarliste von Dalts Bandaufzeichnung lagerte im Versteck genügend Sprengstoff, um Mekks Festung in ein Trümmerfeld zu verwandeln und seinem armseligen Reich der Angst ein dauerhaftes Ende zu setzen.
Der Sprengkörper hatte einen Zeitzünder, der nur per Hand betätigt werden konnte – Fernauslösung war leider unmöglich. Darum würde der Tery den Weg zweimal zurücklegen müssen: einmal, um Dalt die Bombe zu bringen, damit er den Zündungsmechanismus einstellen konnte, und ein weiteres Mal, um ihn zum Versteck zurückzubringen.
»Und die Höhlenbewohner? Was geschieht mit ihnen?« fragte Jon.
»Die ganze Höhle wird zusammenstürzen, und ihr Elend wird vorbei sein.«
Der Tery erwog dies schweigend.
»Ich glaube, es ist am besten so«, sagte Dalt. »Meinst du nicht auch?«
»Ich vertraue dir, Tlad.« Das schien auszureichen.
Dalt zeigte dem Tery nun, wie er die Kontaktknöpfe bedienen mußte, und hämmerte ihm die Zahlenfolge ein, bis er sie sicher auswendig wußte.
»Mehr kann ich nicht für dich tun«, sagte Dalt, nachdem sie ein letztes Mal die Beschreibung des Sprengkörpers und die Kombination durchgegangen waren. »In einer an den Teich angrenzenden Felswand ist eine Tür eingelassen, die mit der Außentür hier identisch ist. Gehe immer geradeaus, dann mußt du auf sie stoßen. Und bleibe auf keinen Fall stehen!«
Er drehte das Rad, bis die Riegel der inneren Tür völlig zurückgeglitten waren, dann rannte er nach draußen vor das Fenster, um zu überprüfen, ob der Weg frei war. Wieder in der Kammer, packte er Jons gewaltige rechte Hand und hielt sie in der seinen.
»Viel Glück, Bruder.«
Jon brummte etwas Unverständliches, dann zogen sie
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