LaNague 05 - Der Tery
gemeinsam die Tür auf. Stickige, stinkende, säuerliche Luft schlug über ihnen zusammen, als der Tery durch die Öffnung schlüpfte und losrannte. Dalt stieß die Tür wieder zu und drehte das Rad, bis die Riegel über die Türkante ragten – gerade weit genug, um einen Höhlenbewohner von einem zufälligen Eindringen abzuhalten, aber nicht genug, um eine ernstliche Verzögerung zu bewirken, wenn Jon zurückkam.
Dann ging er zum Fenster und schaute hinaus. Und wartete.
XIII
Der Gestank.
Er traf ihn wie ein Hieb. Die Gerüche verfaulenden Fleisches, abgestandenen Urins und frischer Exkremente überfielen seinen aufs äußerste geschärften Geruchssinn, sobald die Tür sich öffnete. Aber über allem lag die unverkennbare Witterung tödlicher Gefahr. Die Luft war von ihr geschwängert, die Wände schwitzten sie aus.
Er bewegte sich von der Tür weg und ging einen gewundenen Pfad entlang, der sich erst nach links, dann nach rechts schlängelte. Die Handfläche seiner rechten Hand, in der er die Keule hielt, war feucht vor Schweiß. Jon hatte Angst. Er hatte Tlad seine Angst nicht gezeigt, als sie miteinander sprachen – er hatte sie kaum sich selber eingestanden –, aber jetzt stieg Panik in ihm auf und schüttelte ihn. Er war in ständiger Bereitschaft, vor allem, was sich bewegte oder ihm nahe kam, auszuweichen oder draufzuschlagen.
Dies hier war nicht der Wald. Hier herrschten andere Gesetze, die ebenso einzigartig wie tödlich waren. Die matt leuchtenden Felswände rechts und links von ihm waren mit Löchern und Vertiefungen übersät. Jegliche verrückte, tollwütige Kreatur von jeder nur denkbaren oder unausdenklichen Gestalt konnte ihm darin auflauern, bereit zum Sprung.
Er bewegte sich in einem vorsichtigen Trott vorwärts, erst aufrecht, dann gebückt; sein linker Arm diente ihm als drittes Bein. Er hielt ständig nach links und rechts, nach oben und nach hinten Ausschau. Bislang war nichts von den Höhlenbewohnern zu sehen. Er wußte, daß sich tief in den Löchern um ihn herum dunkle Wesen verbargen – Wesen, die sich blitzschnell auf ihn stürzen könnten, wenn er kleiner und weniger standfest wäre.
Der Weg vor ihm verbreiterte sich und mündete in eine Gabelung. Sein angeborener Orientierungssinn ließ ihn die rechte Abbiegung wählen, doch kurz nachdem er diesen neuen Weg eingeschlagen hatte, drang von jenseits einer vor ihm liegenden Biegung eine Kakophonie an sein Ohr: über den Boden schlurfende Füße, Wutgeheul und Schmerzgestöhn. Und es kam schnell näher.
Er schaute nach oben und gewahrte ein Felsgesims in Reichweite über seinem Kopf. Er zog sich hinauf und legte sich flach auf den Bauch, nur seine Augen und seine Stirn ragten über die Kante. Die Geräusche schwollen an, und dann stolperte die Quelle des Lärms um die Ecke.
Auf den ersten Blick schien es ein riesiges, dunkles, knötchenartiges Wesen zu sein, mit zahlreichen menschlichen Köpfen und zahllosen schwarzen, spindeligen Armen, die sich hektisch in alle Richtungen bewegten. Aber als es näher kam, begriff Jon, daß es eine Bande der spinnenartigen Terys war, die Tlad und er zuvor gesehen hatten – vielleicht dieselbe Bande, vielleicht eine andere – und daß sie sich alle gemeinsam auf ein Opfer gestürzt hatten.
Das einsame Opfer richtete sich plötzlich auf seine Hinterbeine auf und schleuderte vier, fünf seiner Angreifer weg, aber ebenso viele hielten es weiter umklammert. Jon sah, daß dieses Geschöpf eine entfernt menschenähnliche Gestalt hatte, wenn auch die Proportionen grotesk verzerrt waren. Sein runder, kahler Kopf saß ohne Hals auf dem Körper; es hatte mächtige Schultern und Arme, die fast bis zum Boden reichten, wenn es sich aufrichtete. Von den Schultern abwärts verjüngte sich sein Körper abrupt zu einem schmalen Becken und lächerlich kurzen, stämmigen Beinen. Jon sah auch, worauf die Spinnenbande es abgesehen hatte: nicht auf das Geschöpf selbst, sondern auf die drei kleinen, zappelnden Kinder, die sich an seinem Bauch festklammerten. Dies und die schwach ausgebildeten Brüste wiesen das Geschöpf als ein Weibchen aus.
Aber ein Weibchen, mit dem nicht zu spaßen war! Ihre muskelbepackten Arme droschen wild auf die Mitglieder der Spinnenbande ein und hielten sie von ihren Jungen ab, während sie einen Zufluchtsort zu erreichen suchte. Sie hielt stand, bis sich zwei Spinnenmenschen auf ihrem Rücken festkrallten und anfingen, ihr die Augen auszukratzen. Dies geschah in dem Augenblick,
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