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Land der Erinnerung

Land der Erinnerung

Titel: Land der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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hatte, so lachte ich noch viel mehr in Durrells Gesellschaft. Wir drei brauchten uns nur zu treffen, und schon brüllten wir vor Lachen.
    Alles an Fred, besonders aber der Clown und der Mime, ve-ranlaßte Durrell dazu, in schallendes Gelächter auszubrechen.
    Er betrachtete unser Leben in der Villa Seurat als einen unaufhörlichen Zirkus mit drei Arenen. Edgar, der damals die schlimmste Phase seiner neurotischen Karriere durchmachte, war häufig bei uns; er fungierte als eine Art Schalldämpfer, wenn er uns gegen unseren Willen in den Sumpf der Theoso-phie, Astrologie, Anthroposophie und in andere stickige Bereiche lockte. Edgar lachte selten. Er erging sich in langen Monologen, zu denen er Schemata und Diagramme entwarf, um die Entwicklung des Menschen, seine Krankheiten und die glorreiche Zukunft, die ihn erwartete, zu erklären. Wir liebten Edgar von Herzen, und wenn wir in Schwierigkeiten waren, wandten wir uns an ihn; aber so lange es uns nicht gelang, ihn von seinen fixen Ideen loszureißen, ihn in Grund und Boden zu lachen, waren wir i verloren. Trinken brachte ihn nicht auf andere Gedanken. Sogar wenn wir ihn in einen Nachtclub schleppten, war er imstande, weiter zu analysieren, zu sezie-ren, zu konstruieren. Manchmal stieß ich auf dem Heimweg von einem Abend - oder es konnte auch auf dem Heimweg vom Mittagessen sein - in einem Café auf ihn, wie er vor einem unschuldigen Glas Bier saß. Es war nie möglich, schnell von Edgar loszukommen, wie wichtig der Grund auch sein mochte. Wenn man darauf bestand, ihn rasch zu verlassen, begleitete er einen heim. Er schien immer ein Buch versteckt zu haben, mit dem er einem genau dann kam, wenn man schon unruhig wurde. Es war immer ein neues Buch, eines, das er soeben zu Ende gelesen hatte, und es war von größter Bedeutung für ihn, daß seine Freunde daran teilhatten. Manchmal waren es, um gerecht zu sein, gute Bücher, anregende zumin-dest. Das Problem war nur, daß er einem immer schon die besten Partien vorgelesen hatte, bevor er einem ein Buch überließ - und zwar mit ins einzelne gehenden, haarspalterischen 72
    Exegesen, vorgebracht mit leidenschaftlichem Ernst und natürlich alles ex tempore. Oft sagte ich dann: «Nein, nein, ich weigere mich, es zu lesen! Es interessiert mich leider nicht im Geringsten, Edgar.» Solche Ausbrüche kränkten ihn nie, nicht Edgar. Er wartete dann, bis man sich beruhigt hatte, und fing durchtrieben und hinterlistig noch einmal von vorne an. Wenn er endlich jeden Widerstand gebrochen hatte, und man sich widerstandslos in sein Schicksal ergab, steckte er es einem sanft in die Tasche oder unter den Arm. Wenn man es beim nächsten Wiedersehen noch nicht angeschaut hatte, nahm er es und begann noch einmal laut daraus vorzulesen. «Das ist bestimmt nicht der richtige Weg, uns dazu zu verlocken», wandten wir ein. «Du bist ein verdammter Proselytenmacher, weißt du das?» Edgar lächelte mild. «Aber im Ernst», begann er wieder, «wenn ihr euch einmal eingelesen habt, werdet ihr sehen ...» - «Ich sehe es dem Einband an, daß es nichts taugt», sagte Fred. «Das Buch stinkt.» Aber Edgar blieb in solchen Fällen absolut unerschütterlich. Er hörte zu, wie man sich zwanzig Minuten lang ereiferte und begann dann in aller Ru-he, einen von neuem zu bearbeiten, als habe man überhaupt nichts gesagt. Am Ende blieb natürlich Edgar Sieger. Am En-de waren wir gezwungen, seine Sprache zu übernehmen und sie in unsere einzubauen. Ein Fremder hätte unsere Dis-kussionen vollkommen unverständlich gefunden: wir hatten eine Code-Sprache entwickelt, die beinahe so verfeinert wie die des Physikers war.

    Ich lache jetzt noch, wenn ich vom Villa-Seurat-Kult lese! Es waren natürlich die Engländer mit ihrer Humorlosig-keit, die dieses Gerede von einem Kult oder einer Gruppe an-fingen. Es ist so seltsam, daß die Engländer, nur durch den Kanal vom Kontinent getrennt, Frankreich wie ein fernes Land erscheinen lassen. Die damals jungen englischen Schriftsteller, die gelegentlich eine Reise nach dem Kontinent unternahmen, kamen mir völlig unwirklich vor. Manchmal bat ich Durrell, mir zu übersetzen, was sie gesagt hatten, so kompliziert, so fremdländisch war ihre Redeweise, Ich habe nie begriffen, wonach sie eigentlich suchten. Sie machten mir den Eindruck von kurzsichtigen Leuten, denen man ihre Brille weggenom-men hatte. Durrell und Fred konnten ihr Getue vollendet nach-73
    ahmen. Oft, wenn sie gegangen waren, setzten wir eine Vorstellung in

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