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Land der guten Hoffnung

Land der guten Hoffnung

Titel: Land der guten Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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nach dem Mann, an dem ihr angeblich so viel lag - nicht, ob er gesund war, wie er jetzt aussah, nichts.
    Ich verzog mich unter mein Dach, um bei einer Siesta den Schlaf nachzuholen, der mir in der Hängematte abhanden gekommen war. Timothy Butler hatte fast die ganze Nacht lang gelesen und dazu Musik gehört, die stets von Wishbones dröhnendem Schnarchen übertönt wurde. Der Drummer schien im Schlaf besonders dicke Trommelstöcke zu zersägen. Gegen vier in der Frühe war ich, auf dem Rückweg vom Klo zu meiner Hängematte, neben dem Tisch stehen geblieben, an dem Tim immer noch tief gebeugt über seinem Buch saß und im Schein der Gaslampe las.
    „Das muss ja ein faszinierendes Werk sein“, hatte ich müde festgestellt.
    „Ein zeitloses Thema.“ Er sah zu mir auf und zeigte mir das Cover des Buches. Flamingo Feather. Laurens van der Post. „Sollten Sie unbedingt lesen.“
    „Ich hab mir bereits die deutsche Ausgabe gekauft, als ich die Nachricht im Buchladen abgeholt habe.“
    „Dann sind Sie ja auf dem richtigen Weg.“
    Damit hatte er sich wieder dem Roman gewidmet, und mir genug zum Grübeln mit in die Hängematte gegeben, um mich weiter wach zu halten.
    Auch jetzt, als mir das nächtliche Zwischenspiel erneut durch den Kopf ging, hielt es mich vom Schlaf ab. Ich schob die Siesta hinaus und griff zu dem Taschenbuch. Schon der erste Satz: Die Handlung hebt offenkundig in dem Moment an, als ich aus meinem Hause auf die Veranda trat, hinaus in ein verwirrendes Zwielicht der Abenddämmerung kündete von einem altmodisch-gediegenen Erzählstil, auf den man sich erst einmal einlassen musste. Ich wurde dafür belohnt, denn es ging gleich spannend los - mit einem Überfall auf einen schwarzen Boten vom Bantustamm der Takwena. Die Tat fand vor dem Haus eines weißen Mannes hugenottischer Abstammung statt. Das Haus lag über einem Dorf an der False Bay. Die Geschichte spielte also ganz in der Nähe. Trotz des dramatischen Geschehens war der Text ein kompletter Kurs in
    Völkerkunde, und als ich nach etlichen Seiten noch keinen Bezug zu Timothy Butlers dunklen Andeutungen erkannte, holte mich endlich der so nötige Schlaf ein.
    Die Hanseatin war nicht seefest.
    Bereits zehn Minuten nachdem Wishbone erneut die Leinen los geworfen hatte, fütterte Rena Carsten die Fische. Die See war rauer als am Tag zuvor, und auch der Anblick des halben Dutzend scharf gezackter Rückenflossen half nicht. Die dunklen Gläser der Sonnenbrille ließen Rena noch kranker aussehen.
    Die Haie, die unser Boot begleiteten, waren Wishbone keinen Kommentar wert. Er zog den langen Mützenschirm tiefer ins Gesicht und hielt Kurs. Auch dass ich ohne vorherige Absprache in weiblicher Begleitung zum zweiten Treffen antrat, hatte ihn nicht sonderlich aus der Ruhe gebracht. Wahrscheinlich überließ er die passende Reaktion darauf dem Somali.
    Als wir die Anlegestelle erreichten, kam bereits wieder etwas Farbe in Renas Gesicht. Diesmal erledigte Wishbone die Leibesvisitation direkt auf dem Steg, dann führte er uns zur Lodge.
    Mit jedem Schritt, den wir dem Bungalow näher kamen, war zunehmend deutlicher ein Song zu hören, den ich nicht einordnen konnte, bis mir Gunter Gormanns Worte bei unserem Abendessen in Camps Bay wieder einfielen. Was wir da hörten, war Tims ganz spezielles Glanzstück. Ain’t No Sunshine. Ich fragte mich, ob Timothy Butler über hellseherische Fähigkeiten verfügte und das Stück von Bill Withers mit Bedacht aufgelegt hatte.
    Ain’t no sunshine when she ’s gone.
    andshe’s always gone to long...
    anytime she goes away...
    Die Musik war ziemlich laut, und der Hausherr war nirgendwo zu sehen - bis wir nahe genug heran gekommen waren, um freien Blick auf die Veranda zu haben.
    Der Somali lag neben den Campingstühlen auf dem Rücken. Die geöffneten Augen waren starr in den Himmel gerichtet, die großen, schneeweißen Zähne gebleckt - als habe er Allah statt eines letzten Gebetes noch rasch ein Lächeln geopfert, bevor das Gesicht im Grinsen erstarrt war. Das Blut, das er verloren hatte, sorgte für einen dunklen Fleck in seinem Gewand, der mehr braun als rot war und sich in der Herzgegend befand. Die Wunde war von Fliegen übersät, und eine Ameisenstraße führte von der Leiche über die Veranda bis ins Gelände.
    Das Musikstück klang aus.
    Die Stille, die uns auf einmal umgab, war dem Tod angemessen. Kein Vogelzwitschern, keine Zikaden, nichts. Nur die Brise, die vom Meer herüberwehte, zupfte an Zweigen und

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