Land der guten Hoffnung
glauben Sie mir - Bettys alte Gewohnheiten lassen das durchaus glaubwürdig erscheinen.“ Das Ganze ging mir an die Nieren. Aber er musste mich nicht groß überzeugen. Bei meinem Besuch in den Savoy Mansions von Green Point hatte ich genug gesehen, um mir meine eigenen Bilder zu machen. Wenn es sich tatsächlich um Mord handelte, hatte es eine Frau namens Betty erwischt. Bei einem Unfall war wohl eher eine gewisse Suzie Wong abgestürzt.
Tim musterte mich mit düsterer Miene. „Sie bringen den Tod, Mann!“
„Wenn Sie es so sehen wollen.“ Ich hielt seinem Blick stand. „Aber eins ist sicher: Ich habe niemanden auf dem Gewissen!“ Er sah irritiert weg. „Ich auch nicht!“
„Wer dann?“
Zunächst überließ er den Zikaden die Antwort. Dann sagte er: „Ich war und bin nicht der Hauptverantwortliche für das ganze Ding und alle seine Folgen.“
Die Gerüche, die aus der Küche nach draußen drangen, waren verheißungsvoll, aber Stan Whishbone gab noch kein Startzeichen. „Es gibt ein Fahndungsfoto von ihnen. Es basiert auf der Beschreibung der Geisel, die über Sie als Anführer der Bande ausgesagt hat. Also erfinden Sie jetzt bitte nicht den großen Unbekannten, um den Hals aus der Schlinge zu ziehen.“
„Ich erfinde nichts.“
„Falls es den großen Unbekannten tatsächlich geben sollte -was macht es für einen Sinn für ihn, Jabu und Betty zu töten nachdem die beiden mir geholfen haben? Wäre es nicht sinnvoller gewesen, sie schon vorher mundtot zu machen? Und warum kümmert er sich nicht direkt um mich?“
„Er ist weder allmächtig noch dumm. Zwei unbedeutenden Südafrikanern einen Unfall zu verpassen, ist noch machbar. Bei einem Ausländer sieht das schon anders aus. Einer wie Sie kommt hier nicht einfach um - ohne dass es danach anhaltenden Ärger gibt.“
„Beruhigend zu wissen.“
„Das ist nicht komisch, Mann. Wenn Sie einen wie ihn weit genug in die Ecke drängen, schlägt er am Ende auch zu.“ Er verstummte einen Moment, dann flüsterte er:
„Nin kuu digay kuma dilin! “
Diesmal blieb er die Übersetzung schuldig.
„Und das heißt?“
„Der, der dich gewarnt hat, hat dich noch nicht umgebracht.“ Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, bat Wishbone zum Essen.
Der Schlagzeuger war nicht nur ein guter Oberkellner, sondern auch ein talentierter Koch.
Aus Eiern, Zwiebeln, Knoblauch, Karotten, Reis und mit massivem Einsatz diverser Gewürze hatte Stan Wishbone auf dem Gasbrenner ein warmes Abendessen gezaubert, das hervorragend zum Bier passte. Wir saßen auf Lederhockern an einem schweren Holztisch, und während wir aßen und redeten, sah ich mir das Innere der Lodge genauer an. Es gab nicht viel zu entdecken. Die Hütte war von karger Eleganz. Weite und Leere. Zen-tauglich.
Tim schien keine Geheimnisse vor Stany zu haben. Er sprach Englisch. Nach einem kurzen Exkurs über Jazz und Deutschland, kam er wieder zum Anlass unseres Treffens. „Hören Sie“, sagte er zu mir, „ich habe damals in Hamburg mitgemacht, und ich habe meinen Anteil bekommen. Aber ich habe mich nur an der Aktion beteiligt, weil das Lösegeld einer Sache zugedacht war, an die ich glaubte und für die ich schon Jahre zuvor gearbeitet hatte.“ Er streifte Wishbone mit einem kurzen Blick. „Eine Sache, die mich mit Stany verbindet - auch wenn er mit der Geiselnahme nichts zu tun hat.“
Wishbone kaute weiter.
„Sie reden vom ANC? “ Ich sortierte mit der Gabel ein Stück Pfefferschote aus.
Butler nickte und schob den noch halbvollen Teller weg und widmete sich dem Bier. „Und er hat uns alle gelinkt.“
„Damit meinen Sie jetzt wohl wieder den großen Mister Unbekannt, Tim.“
„Sie glauben mir nicht.“ Er lächelte. „Was wollen Sie jetzt tun? Wollen Sie mir Handschellen anlegen und mit mir ins nächste Flugzeug nach Deutschland steigen - oder wollen Sie mich gleich hier in der Wildnis umlegen?“
„Niemand will Sie umbringen.“
„Sind Sie da ganz sicher.?“
Schweigen war angebracht.
„Wenn ich hier in Südafrika bleibe“, fuhr er fort, „ist es bald so weit. Ich sage Ihnen: Lieber stehe ich nach all den Jahren doch noch in Deutschland vor Gericht und erzähle meine Version der ganzen Geschichte, als mich hier weiter wie eine Ratte zu verkriechen oder ganz aus dem Verkehr gezogen zu werden. Wenn er so weit geht, Jabu und Betty zu töten, weil sie leichtfertig Wegweiser gespielt haben, dann sind auch meine Karten nicht mehr die besten.“
Ich kaufte es ihm nicht ab.
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