Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
Grundmeer, wo wir uns Auge in Auge gegenüberstanden und miteinander kämpften. Schließlich konnte ich sie wohl davon überzeugen, dass wir ihr schlecht bekommen würden, woraufhin uns der See wieder ausgespien und ans Ufer gespuckt hat.«
Alphart schüttelte bei den Worten des Druiden den Kopf. Dass sich der Kampf gegen die Bestie tatsächlich so abgespielt hatte, nachdem er selbst das Bewusstsein verlor, konnte er nicht glauben. Andererseits – der Druide hatte immerhin auch den Bergtroll besiegt und auf ihrer gemeinsamen Reise mehrfach bewiesen, über welch unfassbare Kräfte er verfügte.
»König Alwys’ Krieger fanden uns«, fuhr Yvolar fort, »und brachten uns hierher.«
»König Alwys?« Alphart merkte auf.
»Er ist der Herrscher von Glondwarac und des Zwergenreichs«, erklärte Yvolar. »Er ist sehr alt und sehr weise.«
Alphart nickte. »Ja, ich habe schon von ihm gehört. Allerdings kam mir zu Ohren, Alwys wäre ebenso verschlagen wie habgierig. Er würde arglosen Bergwanderern erscheinen und sie um ihre karge Habe bringen.«
»Was für ein Unsinn!« Yvolar nahm wieder die Pfeife aus dem Mund und schüttelte unwillig den Kopf. »Zwerge sind versessen auf Gold und Edelsteine, das ist wahr. Aber arglose Wanderer pflegen dergleichen nicht in ihren Taschen herumzutragen.« Er stand auf und sagte: »Nun komm, Alphart Wildfänger. Geschlafen hast du lange genug. Ich will dir das Reich der Zwerge zeigen.« Er zwinkerte Alphart vielsagend zu.
Der schwang die Beine aus dem Bett und erhob sich. Das Nachthemd, das er trug, war aus dicker Wolle und wärmte ihn – aber nur bis zum Gesäß. Weiter reichte es nicht, denn es war für Leute geschneidert, die dem Wildfänger gerade mal bis zur Hüfte reichten…
»In diesem Aufzug?«, fragte Alphart unwillig.
»Wenn es dir Freude macht.« Yvolar lachte leise. »Andernfalls solltest du deine eigene Kleidung anziehen.« Er deutete auf einen Schemel in der Ecke des Raums, auf dem Alpharts Rock und seine Hosen lagen. Sie waren inzwischen trocken, und die Stiefel, die vor dem Schemel standen, hatte man vom Schlamm gesäubert. Alphart zog sich an, dann folgte er Yvolar nach draußen.
Ein langer Gang erstreckte sich vor ihnen, dessen Wände ebenso glitzerten wie die der Kammer. Drei Mannslängen über dem Boden vereinigten sie sich zu einem spitzen Dach. Sonnenlicht drang durch hohe Fenster und erfüllte den Gang mit warmem Schein.
»Beeindruckend«, murmelte Alphart.
»Nicht wahr?« Yvolar lächelte. »Die Baukunst der Zwerge rührt noch aus alter Zeit und ist weithin berühmt, ebenso wie die Namen derer, die diese Stadt einst errichteten.«
Sie gingen den Korridor entlang, doch schon nach wenigen Schritten trat ihnen aus einem Nebengang ein Zwerg entgegen. Es war das erste Mal, dass Alphart einen Abkömmling dieser Rasse zu sehen bekam, entsprechend groß war seine Verblüffung.
Der Zwerg war nur an die vier Ellen hoch, reichte ihm also gerade mal über die Hüften. Dennoch war er von stämmiger Statur und hatte kräftige Arme und Beine. Sein kugelrunder Kopf, der von einer dunkelroten Zipfelmütze gekrönt wurde, ruhte scheinbar direkt auf seinem gedrungenen Körper. Jedenfalls war ein Hals nicht zu sehen, was aber auch an dem Ungetüm von Bart lag, der in seinem Gesicht wucherte. Dunkle Augen musterten den Wildfänger aufmerksam.
Bekleidet war der Zwerg mit einem wollenen Hemd, eng anliegenden Hosen, ledernen Stiefel und einem breiten Gürtel mit goldener Schnalle.
»Na also!«, rief er aus, mit einer Stimme, die viel tiefer war, als seine kleinwüchsige Statur vermuten ließ. »Ist unser Gast also endlich erwacht und hat sich bequemt, das warme Bett zu verlassen!«
»Sieh es ihm nach, Urys«, bat Yvolar, noch ehe Alphart etwas erwidern konnte. »Die Reise nach Glondwarac war lang und beschwerlich.«
»Umso mehr freut es mich, dass ihr alle wohlbehalten hier angekommen seid«, erwiderte der Zwerg und verbeugte sich höflich.
Auch der Druide deutete eine Verbeugung an, dann ging er weiter, und Alphart folgte ihm.
»Du kennst diesen Gnom?«, flüsterte er.
»Ich kenne viele hier«, antwortete Yvolar. »Und du solltest dir angewöhnen, sie ›Zwerge‹ zu nennen. Die Bergleute mögen es nicht, wenn man sie mit Gnomen in einen Topf wirft.«
»Zwerg oder Gnom, wo ist da der Unterschied?«, brummte Alphart. »Mich interessiert nur, ob sie uns helfen werden. Hattest du bereits Gelegenheit, in den Spiegel des Zwergenkönigs zu
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