Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
benutzten es, um Bier zu brauen und sich zu waschen – darin zu baden kam ihnen kaum in den Sinn.
Mit wenigen Schwimmzügen brachte sich Alphart an die Seite seines Kameraden, bevor dieser in den schäumenden Fluten versank. Das war alles andere als einfach, denn der Hirschfänger und die schwere Axt in seinem Gürtel drohten ihn nach unten zu ziehen. Doch er schaffte es mit eisernem Willen, packte Leffel am Kragen und hielt ihn über Wasser. Ob dem Gilg das Ende dadurch erspart werden würde, war allerdings mehr als fraglich.
Denn inmitten der Gefährten, die sich prustend und keuchend über Wasser zu halten versuchten, tauchte erneut das Untier auf. Sein offenes Maul zuckte herab und schnappte zu – und wieder starb ein Fischer aus Seestadt einen grausamen Tod. Wellen hoch wie Häuser türmten sich rings um die Kreatur auf, während sie wieder eintauchte und die Überlebenden dabei fast ertränkte.
»Druide!«, schrie Alphart über das Tosen hinweg. »Tu etwas, verdammt noch mal!«
Es war nicht so, dass Yvolar nicht hätte einschreiten wollen – er konnte es nicht.
Denn beim Sturz ins Wasser hatte der Druide seinen Eschenstab verloren. Das war bitter, denn das Holz des Stabs bündelte seine Macht. Verzweifelt blickte sich Yvolar in den wogenden Fluten danach um – und sah den Stab in einiger Entfernung auf der schäumenden Wasseroberfläche treiben. Unter Aufbietung all seiner Kräfte schwamm er darauf zu, aber sein durchnässter Umhang und sein weites Gewand hemmten seine Bewegungen.
Wieder schnellte der Schwanz der Kreatur über das Wasser, und nur knapp verfehlte er Alphart und den Gilg, die sich an ein Trümmerstück des Bootes klammerten. Seine Pfeile hatte der Wildfänger verloren, aber wie es die Art seiner Zunft war, gab Alphart nicht auf. Sich mit einer Hand am Trümmerstück des Bootes festklammernd, zog er den Hirschfänger und brüllte der Kreatur zornig entgegen: »Komm schon! Komm schon und hol mich, du Ausgeburt der Tiefe! Ich kann es kaum erwarten, meinem Bruder zu begegnen…!«
Wenn es ihm gelang, mit dem Hirschfänger auch das andere Auge der Bestie zu durchbohren, war das Seeungeheuer blind.
Erneut hob sich der massige Rumpf der Kreatur aus dem Wasser, um schon gleich darauf wieder darin zu versinken. Kopfüber tauchte die Bestie hinab in den See, und der enorme Sog, den sie dabei hervorrief, riss die Menschen mit sich. Alphart und der Gilg konnten sich nicht länger am Trümmerstück festhalten, sie wurden von dem Strudel erfasst und in die Tiefe gezogen, ebenso wie die beiden überlebenden Fischer und Yvolar, der es im letzten Augenblick schaffte, seinen Stab zu erreichen.
Mit aller Kraft wehrte sich Alphart gegen den Sog, kämpfte mit dem Mut nackter Verzweiflung dagegen an. Vergeblich. Erbarmungslos wurden sie alle in die Tiefe gezerrt, wo das gefräßige Maul der Bestie auf sie lauerte.
Alphart merkte, wie Leffel, den er mit einer Hand wieder am Kragen gepackt hatte, erneut hilflos zu strampeln begann und panisch unter Wasser schrie. Auch den Wildfänger verließen die Kräfte, willenlos wurde er mitgerissen von dem Sog, der seine Gefährten und ihn in den Schlund des Seeungeheuers spülte…
… als das Ende von Yvolars Druidenstab auf einmal grell aufleuchtete!
31
Er hatte wieder geträumt – jenen Traum, der ihn verfolgte, solange er zurückdenken konnte.
Schon als kleiner Junge hatte er ihn gehabt, den Traum von der Bestie, die in dunkler Tiefe lauerte und an die er sich, sobald er erwacht war, kaum mehr erinnerte.
Diesmal jedoch war etwas anders gewesen.
Die Bestie hatte vor Schmerz laut geschrien. Irgendetwas – oder irgendjemand – hatte ihr Leid zugefügt, sodass sie sich zurückgezogen hatte auf den finsteren Grund, von wo sie gekommen war. Der Traum war so düster und beunruhigend gewesen wie immer – aber als Erwyn erwachte, erfüllte ihn eine seltsame Zuversicht.
Mit der Ahnung, dass sich etwas Bedeutsames ereignen würde, schwang er sich aus dem Bett, das die Zwerge eigens für ihn gebaut hatten, weil er selbst die Größten unter ihnen um gut zwei Köpfe überragte, und trat an den Waschtisch, wo eine Schüssel und ein Krug mit eisig kaltem Wasser bereitstanden.
Nachdem er sich gewaschen und so den letzten Rest Müdigkeit vertrieben hatte, schlüpfte Erwyn in seine Kleidung – ein einfaches Hemd aus Wolle, das ihm bis zum Gesäß reichte, rote Arbeitshosen und Lederstiefel nach Zwergenart, nur eben ein wenig größer. Den breiten
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