Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
Brand, und nachdem der Knabe seinem ersten Zug einen krächzenden Hustenanfall hatte folgen lassen, standen sie eine Weile lang nur da und sogen an ihren Pfeifen. Bis der Junge erneut das Schweigen brach.
»Woher kommst du?«, wollte er wissen.
»Von daheim.«
»Wo ist das?«
Alphart drehte leicht den Kopf und schaute den Jungen grimmig an. Er wollte ihn anfahren wegen seiner unverschämten Fragerei, aber als er den neugierigen Blick des Knaben sah und die aufrichtige Unschuld in seinem Gesicht, da schluckte er die groben Worte wieder hinunter, und statt den Jungen zurechtzuweisen, übernahm der Wildfänger selbst das Fragen.
»Du bist also der, von dem der Druide gesprochen hat. Der angebliche Spross von Vanis’ Stamm, richtig?«
»Sieht so aus.«
»Wie ist dein Name?«
»Erwyn. Und wie heißt du?«
»Alphart heiße ich, und ein Wildfänger bin ich.«
»So bist du der, von dem Yvolar mir erzählt hat. Er sagt, du hättest großen Mut und ein noch größeres Herz.«
Alphart horchte auf. »Das sagt er über mich?«
»Ja.« Erwyn nickte. »Aber er sagt auch, dass du das selbst nicht wüsstest.«
»Elender alter Schwätzer«, maulte Alphart und brummte grimmig in seinen Bart. Dann wechselte er rasch das Thema. »Du sollst der letzte Sylfe auf dieser Welt sein, wenn ich das richtig verstanden habe, oder?«
»Meister Yvolar ist davon überzeugt.«
»Und? Kannst du zaubern?«
»Nein.«
»Verstehe. Dann wird aus dir wohl ein großer Krieger werden?«
»Auch das nicht gerade. Ich dichte am liebsten Oden und trage sie zur Laute vor.«
»Hmm…«, murrte Alphart. »Wenigstens weißt du, wie sich das Eis aufhalten lässt.«
»Ja«, sagte Erwyn, allerdings klang es nicht sehr überzeugend, sondern eher kleinlaut. »Meister Yvolar hat es mir gesagt. Aber…«
Alphart schaute ihn von der Seite her an. »Aber?«
»Dafür muss ich einen Feuerdrachen zähmen und mit ihm in den Kampf gegen das Eis ziehen.«
»Und?«
»Ich fürchte, das… das kann ich nicht.«
Alphart drehte sich zu dem Jungen um, starrte ihn aus großen Augen an – dann nahm er die Pfeife aus dem Mund und warf sie in einem jähen Wutausbruch zu Boden, dass sie zerbrach!
»Hab ich’s nicht gewusst?«, schrie er. »Lügen und Blendwerk, nichts weiter! Gnomen und Druiden – Unsinn und fauler Zauber! Falsche Hoffnung hat uns der alte Stocker gemacht. Es gibt nichts, was das Eis bekämpfen könnte! Wenn das Ende kommt, dann ist es da, und ein törichter Knabe wird es ganz bestimmt nicht aufhalten!«
Erwyn wich erschrocken vor dem Wildfänger zurück und sagte kein Wort mehr. Eingeschüchtert stand er da und blickte traurig zu Boden, wo Alpharts zerbrochene Pfeife lag. Die Schultern hatte er mutlos sinken lassen, Tränen rannen über sein bleiches Gesicht, die im fahlen Mondlicht glitzerten.
»Verdammt«, brummte Alphart, der sich dabei ertappte, dass die Verzweiflung des Jungen ihn rührte. Ja, sie berührte ihn, und zwar dort, wo Bannharts Platz gewesen war und wo es noch immer wehtat. Dort, wohin er niemals wieder ein Gefühl hatte kommen lassen wollen…
»I-ich kann nichts dafür«, flüsterte Erwyn betrübt. »Noch vor ein paar Stunden war ich ein einfacher Knabe, und nun soll ich die Welt retten. Seit Meister Yvolar in mein Leben getreten ist, ist nichts mehr, wie es war.«
»Das kenne ich«, versicherte Alphart grimmig, aber schon ein wenig versöhnlicher. »Anderer Leute Leben durcheinander zu bringen scheint eine Spezialität des alten Stockers zu sein.«
Erwyn blickte auf, die Augen feucht vor Tränen. »Hat der Druide denn auch dein Leben verändert?«
Die Frage klang so naiv, dass Alphart grinsen musste. Er schnaubte und sagte: »Das will ich meinen. Noch vor einem halben Mond war ich ein einfacher Wildfänger und hatte mein Auskommen. Zusammen mit meinem Bruder bewohnte ich eine einfache Hütte in den Bergen, und wir verbrachten die Zeit damit, Fallen zu stellen und das Wild zu jagen.«
»Und jetzt nicht mehr?«
»Nein.«
»Weshalb nicht? Wo ist dein Bruder geblieben?«
»Er ist tot«, gab Alphart zur Antwort. Dann hob er drohend den Zeigefinger und sagte barsch: »Und ich würde dir raten, nicht weiter danach zu fragen – Wechselbalg!«
»Wie hast du mich genannt?« Erwyn schaute ihn aus großen Augen an. »Einen Wechselbalg? So glaubst du, was Meister Yvolar gesagt hat? Dass Sylfenblut in meinen Adern fließt?«
Alphart lachte bitter auf. »Ehrlich gesagt, ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll, Junge. Alles,
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