Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
ruhelos hin- und herwälzte – Alphart fand keine Antworten auf seine drückenden Fragen.
Irgendwann hielt er es auf seinem Lager nicht mehr aus. Im Mondlicht, das durch das hohe Fenster der Kammer fiel, packte er sein Pfeifenzeug und trat hinaus auf den Gang und folgte ihm bis zu einer kleinen Treppe, die zu einem in den Fels gehauenen Söller führte. Die kalte Nachtluft in die Lungen saugend, trat Alphart hinaus auf die von Zinnen umgebene Plattform und blickte auf die umliegenden Gipfel, die im silbernen Licht des Mondes glitzerten.
Der Schnee war bereits weit vorgedrungen und hatte die Baumgrenze erreicht. Nicht mehr lange, und er würde auch die Täler bedecken, als Vorbote des Eises, das folgen würde. Früher hatte Alphart das Kommen und Gehen der Jahreszeiten als natürlich angesehen. Nun aber, da er den Grund für den frühen Winter kannte, bedrückte ihn der Anblick der schneebedeckten Berge.
Schweigend griff er nach seiner Pfeife, stopfte sie und steckte den Tabak in Brand. Wehmütig paffend musste er an die vielen Abende denken, an denen er mit Bannhart vor der Hütte gesessen und den würzigen Geschmack des Pfeifentabaks genossen hatte. Sein eigener, den er noch aus der Heimat mitgenommen hatte, war nicht mehr zu rauchen nach Alpharts unfreiwilligem Bad im See, doch der, den die Zwerge ihm gegeben hatten, schmeckte ganz gut…
»Kannst du auch nicht schlafen?«, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihm.
Alphart fuhr herum, verärgert über sich selbst, dass seine Wachsamkeit derart nachgelassen hatte. Früher hätte sich niemand unbemerkt an ihn heranschleichen können. Verdammt, daran waren nur dieser verdammte Druide und seine Gnomen schuld…
Unter dem kunstfertig gemeißelten Türbogen, der auf den Söller führte, stand ein Junge. Alphart schätzte sein Alter auf vierzehn, vielleicht fünfzehn Winter. Er war eindeutig kein Zwerg, sondern ein Mensch – ohne Frage der Wechselbalg, von dem Yvolar erzählt hatte. Der Menschenjunge, in dessen Adern angeblich Sylfenblut floss…
Alphart betrachtete den Knaben mit unverhohlener Skepsis. Nicht nur, dass er noch längst kein Mann war – er war noch dazu ausnehmend dürr und wirkte schwächlich. Glattes dunkles Haar umrahmte ein schmales Gesicht, das so bleich war wie Schnee; das lag wohl daran, dass der Junge den größten Teil seines Lebens unter Tage verbrachte. Seine wässrigen Augen blickten den Wildfänger mit einer Mischung aus Wissbegierde und Furcht an; er wirkte neugierig und scheu zugleich.
Und in die Hände dieses Hänflings wollte der Druide das Schicksal der Welt legen? Lächerlich!
»Gehörst du zu den Besuchern, die mit Meister Yvolar gekommen sind?«, erkundigte sich der Junge und machte einen zögerlichen Schritt nach vorn auf den Söller hinaus.
»Mhm«, erwiderte Alphart lakonisch. Ihm stand nicht der Sinn nach einer Unterhaltung. Schon gar nicht mit diesem Wechselbalg.
Der Knabe allerdings schien seine Ablehnung nicht zu bemerken. Er trat gänzlich aus dem Schatten des Torbogens und gesellte sich zu dem Jäger. Schweigend standen sie an den Zinnen des Söllers und schauten hinaus in die Bergwelt.
»Du rauchst Pfeife?«, fragte der Junge nach einer Weile.
»Siehst du doch«, knurrte Alphart.
»Die Zwerge bauen weißen Tabak in ihren Höhlen an.«
»Weiß ich«, murrte Alphart. »Rauche ihn gerade.«
»Kann ich etwas davon abhaben?«
Alphart sandte dem Knaben einen verwunderten Blick. »Du rauchst schon?«
Ein wenig verlegen griff der Junge unter den Umhang, den er sich der Kälte wegen umgeschlungen hatte, und beförderte eine kleine Pfeife zutage, die offensichtlich selbst geschnitzt war – mit einigem Ungeschick, wie Alphart mit mürrischem Blick feststellte.
»Eigentlich darf ich nicht«, gestand der Junge. »Mein Vater Urys hat es mir verboten. Er sagt, die Pfeife wäre nichts für unreife Knaben.«
»Und damit hat er verdammt recht!«
»Aber ich bin kein Knabe mehr«, widersprach der Junge trotzig. »Meister Yvolar hat mich besucht und mir gesagt, wer ich bin und welche Bürde auf mir lastet.«
»Ach, hat er das?«, brummte Alphart, und noch ehe er recht begriff, was er tat, griff er in seinen Tabakbeutel und steckte dem Jungen ein wenig zu – schon deshalb, weil die Zwerge dem Knaben das Rauchen verboten hatten.
Dankbar nahm der das weißliche Kraut entgegen und stopfte seine Pfeife damit. Da er sich recht ungeschickt anstellte, musste Alphart ihm helfen. Schließlich steckte der Wildfänger den Tabak in
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