Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
Vorgänger!«
»Mächtig willst du sein?« Nun war es Rionnas Stimme, die vor Spott triefte. »Hast du dich aus diesem Grund mit den Kreaturen Dorgaskols verbündet?«
»Was weißt du schon!«, kam es gehässig zurück. »Nur das, was du gesehen hast oder was du dir in deinem Spatzenhirn zusammendichtest. Du hast keinen Blick für das große Ganze.«
»Anders als du«, vermutete Rionna.
»In der Tat! Während andere Fürstregenten ihre Tage damit verbrachten, nur zu reden, habe ich das Überleben unseres Volkes gesichert, für alle Zeit!«
»Das Überleben unseres Volkes? Du meinst wohl dein eigenes Überleben!«
»Du bist genau wie dein Vater«, stellte Klaigon fest. »Du weißt nichts, und dennoch verurteilst du mich. Und wie dein Vater siehst du nur das, was du sehen willst.«
»Und das wäre?«
»Erle, die die Wälder durchstreifen. Waffenkammern, die über Nacht gefüllt wurden. Einen Eisriesen in den Gemächern des Fürstregenten. Aber das alles sind nur Vorboten, Rionna. Vorboten einer Macht, die ungleich größer und schrecklicher ist, als du dir vorstellen kannst. Einer Macht, der wir uns entweder beugen oder die uns vernichten wird.«
»Dann ist es wahr«, folgerte Rionna flüsternd. »Es ist wahr, was Yvolar der Druide vermutet hat. Der Herr des Eises ist zurückgekehrt…«
»Das ist er«, bestätigte Klaigon, »und er ist stärker denn je. Wer nicht auf seiner Seite steht, der ist gegen ihn, und er hat seine Boten ausgesandt, um nach Verbündeten zu suchen…«
»… und du hast eingewilligt.«
»Was hätte ich tun sollen? In Ruhe abwarten, bis der Feind vor den Mauern Iónadors steht? Bis tödliches Eis die Goldene Stadt überzieht? Selbst der Schildberg schützt uns nicht vor der Kälte. Ich habe getan, was ich tun musste…«
»Du hättest Widerstand leisten können!«, wandte Rionna ein.
»Widerstand? Gegen Muortis?« Er lachte auf – das glucksende Gelächter eines Mannes, der einen Teil seines Verstandes bereits eingebüßt hatte. »Wieder höre ich deinen Vater sprechen. Auch Karrol fehlte der Blick für die Realität.«
»Was soll das heißen?«
»Dass man zwischen Kämpfen unterscheiden muss, die man gewinnen kann, und solchen, in denen man zwangsläufig unterliegen muss. Törichtes Kind, man kann nicht gegen Muortis bestehen. Die es konnten, haben uns vor langer Zeit verlassen, und nur noch wir sind geblieben, einfache Menschen, die alles daran setzen, am Leben zu bleiben und nicht unterzugehen in dem Sturm, der bald über unsere Welt fegen wird.«
»Und die versuchen, dabei noch einen guten Schnitt zu machen, nicht wahr?«, fügte Rionna beißend hinzu. »Was springt für dich dabei heraus, Onkel? Was hat man dir versprochen?«
»Dass Allagáin vom Eis verschont bleibt – und ich sein uneingeschränkter Herrscher werde. Der Fürstenrat wird abgeschafft, und ich werde die Königskrone tragen, als Urgulroths treuer Vasall.«
»Als sein Sklave«, verbesserte Rionna. »Du bist ein Narr, wenn du glaubst, dass Allagáin deinetwegen verschont werden wird. Der Herr des Eises hat viele Abmachungen getroffen – und sie alle gebrochen. Der Druide sagt…«
»Es schert mich einen Dreck, was dein verdammter Druide sagt!«, brüllte Klaigon so laut, dass sich seine Stimme überschlug. »Schon bald wird Muortis’ Zorn ihn vernichtet haben – ihn und alle anderen, die so töricht waren, sich gegen den Herrn des Eises zu stellen. Und ich, Nichte, werde auf der Seite der Sieger stehen!«
»Zu welchem Preis?«, fragte Rionna. »Was hast du Muortis angeboten, damit…« Sie unterbrach sich, als ihr die Zusammenhänge plötzlich klar wurden. »Der Krieg gegen das Waldvolk. Das ist es, nicht wahr? Indem du die Barbaren vernichtest, ebnest du Muortis’ Heer den Weg…«
»Ein geringer Einsatz, wenn man den Preis dafür bedenkt«, meinte Klaigon achselzuckend.
»Deshalb waren die Waffenkammern Iónadors bis zum Bersten gefüllt – der Inhalt stammte aus den dunklen Schmieden Dorgaskols. Deshalb warst du so rasch zu einem Krieg gegen das Waldvolk bereit. Und deshalb wolltest du auch nicht, dass der Druide erfährt, was in Allagáin vor sich geht…«
»Du bist doch klüger, als ich dachte«, sagte Klaigon grinsend.
»Onkel«, stieß die Prinzessin angewidert hervor, »du hast Ritter und Bürger, Freie und Vasallen zu den Waffen gerufen, damit sie Iónador verteidigen – und in Wahrheit kämpfen sie für Dorgaskol! Hunderte, wenn nicht Tausende werden sterben, und ihr Tod dient dem
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