Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
stimmten sie schweigend darin überein, dass sie dieses riskante Abenteuer wagen wollten.
Der Druide, der Sylfe, der Zwerg, der Kobling, der Bärengänger, der Bauer und der Jäger.
»Worauf warten wir?«, knurrte Alphart mit grimmiger Entschlossenheit. »Es ist ein weiter Weg bis dort oben…«
48
Das Warten kam Rionna endlos vor.
Zwar war erst ein Tag verstrichen, seit sie Calma ausgesandt hatte, um Barand von Falkenstein die geheime Nachricht zu überbringen, dennoch – die Prinzessin war von Unruhe erfüllt.
Immer wieder trat sie ans Fenster und starrte hinaus, ließ ihren Blick über die von Schnee bedeckten Dächer der Stadt schweifen und über das Hügelland, das sich nach Norden hin erstreckte. Sehr weit konnte man nicht sehen, Schneegestöber und Nebel verhinderten dies. Aber irgendwo dort draußen vermutete Rionna ihre getreue Zofe und hoffte, dass diese Barand noch rechtzeitig erreichen würde.
Noch immer stand die Prinzessin unter dem Schock ihrer Entdeckung. Sie hatte gewusst, dass Klaigon ein Mann mit verschlossenem Herzen war, gleichgültig in Gefühlsdingen und hart gegen sich und andere. Aber sie hätte niemals geglaubt, dass sich als wahr erweisen würde, was zunächst Yvolar der Druide und später auch die getreue Calma vermutet hatten – dass der Fürstregent von Iónador gemeinsame Sache machte mit den Dienern des Bösen.
Wenn Rionna die Augen schloss, konnte sie ihn noch immer vor sich sehen, den blauhäutigen Eisriesen mit dem einen Auge und dem Horn auf der Stirn. Sie roch seinen Pestatem und spürte weiterhin seine verderbliche Gegenwart, und die Erinnerung reichte aus, um sie bis ins Mark erschaudern zu lassen.
Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie etwas derart Furchteinflößendes gesehen und erlebt – dass sich ihr Onkel mit dieser Kreatur verbündet haben sollte, war ein so entsetzlicher Gedanke, dass Rionna ihn zunächst nicht hatte zulassen wollen. Aber es war die einzige Antwort, die Sinn machte: Klaigon, ihr Onkel und Fürstregent von Iónador, war ein Verräter…
Rionna zuckte zusammen, als ein energisches Klopfen gegen die Tür ihrer Kemenate sie aus ihren düsteren Gedanken riss.
»Ja?«, erkundigte sie sich halblaut.
»Ich bin es!«, vernahm sie eine raue Stimme, und Rionna erschrak bis ins Mark, denn es war die ihres Onkels.
Klaigon!
Was mochte er von ihr wollen? Seit der unheimlichen Begegnung im Turm war Rionna ihrem Onkel aus dem Weg gegangen. Weder war sie zu den Mahlzeiten erschienen, noch hatte sie sich während der Beratungen in der Großen Halle blicken lassen. Zum einen hätte sie den Anblick des Verräters nicht ertragen, zum anderen hatte sie befürchtet, sich durch ein unbedachtes Wort in Schwierigkeiten zu bringen.
»Wa-was kann ich für dich tun, Onkel?«, fragte Rionna, darum bemüht, möglichst ruhig zu klingen.
»Lass mich herein!«, kam die gedämpfte Antwort. »Ich habe mit dir zu sprechen.«
Am Klang seiner Stimme versuchte Rionna festzustellen, was er im Schilde führen mochte. Aber sie klang so barsch und abweisend wie immer; ein Unterschied war nicht festzustellen.
»Einen Augenblick«, sagte sie deshalb, trat gemessenen Schrittes zur Tür, die sie in ihrer Furcht verschlossen hatte, und öffnete sie.
»Wo ist deine Zofe?«, erkundigte sich Klaigon, ohne dass er zunächst eintrat. Der Herr von Iónador trug ein samtenes Gewand. Seine fleischigen Züge verrieten keine Regung.
Rionna gab sich unwissend. »Warum fragst du?«
»Weil es mich erstaunt, dass die Nichte des Fürstregenten selbst die Türen ihres Gemachs öffnen muss, wenn jemand Einlass begehrt«, antwortete Klaigon. »Ist es schon so weit gekommen?«
»Calma ist in meinem Auftrag unterwegs«, erwiderte Rionna und sagte dabei noch nicht einmal die Unwahrheit. »Sie erledigt einen Botengang für mich.«
»Einen Botengang – so so«, murrte Klaigon. »Willst du deinen Onkel nicht in dein Gemach bitten?«
»Natürlich.« Sie trat zur Seite und ließ ihn herein. »Wenngleich ich mich frage, was mir die Ehre deines Besuchs verschafft…«
»Die Ehre meines Besuchs«, wiederholte er, während sie die Tür hinter ihm schloss. Erst jetzt bemerkte sie den tönernen Behälter, den er bei sich hatte und den er wie beiläufig auf den Tisch abstellte.
»Was ist das?«, fragte sie verwundert.
»Ein Geschenk.«
»Ein Geschenk?« Sie hob die Brauen. »Wie komme ich dazu?«
»Das fragst du dich, nicht wahr? Schließlich hast du dich in letzter Zeit wiederholt meinem
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