Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
die hinter ihm gestanden hatten. Es waren vier Schüsseln, also für jeden eine, und das ließ Alphart erneut stutzen. Hatte der Einsiedler mit drei Besuchern gerechnet? Aber woher hatte er so genau gewusst, dass sie zu dritt sein würden?
Leffel und Rionna nahmen die Suppe dankbar entgegen, Alphart allerdings lehnte ab.
»Magst du keine Pilzsuppe?«, erkundigte sich der Alte mit heiter blitzenden Augen.
»Nur, wenn ich sie selbst zubereitet habe«, erklärte der Jäger unverwandt. »Wer weiß, was du hineingeschnitten hast.«
»Nur das Beste«, versicherte der Eremit und begann selbst zu löffeln. »Aber wenn du nicht willst, zwinge ich dich nicht dazu.«
Alphart erwiderte nichts darauf, saß schweigend am Feuer, während die anderen aßen. Die Suppe schien gut zu schmecken, denn Leffel und Rionna verlangten begeistert Nachschlag, und während der würzige Duft der Pilze seine Nase kitzelte, sagte sich Alphart, dass er sich wie ein Narr aufführte. Aber er wäre lieber verhungert, als dies zuzugeben und um eine Schüssel zu bitten.
»Nun, da ihr meine Gäste seid«, sagte der Alte nach dem Essen, »könnt ihr mir doch sagen, was euch hierher geführt hat. Was ist das für ein dringender Auftrag, den ihr zu erledigen habt?«
Alphart schwieg, dafür gab Leffel umso bereitwilliger Auskunft. Der kleinwüchsige Allagáiner schien instinktiv Vertrauen zu dem Eremiten gefasst zu haben – sehr zu Alpharts Verärgerung. »Es waren die Zeichen«, gab der Gilg zur Antwort.
»Was für Zeichen?«
»Der Frost ist früh gekommen dieses Jahr.«
»Das ist kein Zeichen.«
»Doch, doch!« Der Gilg nickte heftig, um seine eigenen Worte zu bestätigen. »Zeichen für einen strengen Winter, der sich ankündigt.«
»Strenge Winter hat es schon früher gegeben.«
»Aber es wurden auch Gestalten gesichtet«, erklärte Leffel. »Gestalten, wie wir sie nur aus den Geschichten der Alten kennen.«
»Gestalten? Was für Gestalten?« Die Neugier des Einsiedlers schien geweckt.
»Ein Feuerreiter wurde gesehen«, antwortete Leffel, »und noch andere grässliche Kreaturen. Sie verlassen die Berge und dringen in die Täler vor. Und sie haben Alpharts Bruder umgebracht.«
»Ist das wahr?« Die Gesichtszüge des Einsiedlers, der bisher so mild und freundlich dreingeschaut hatte, veränderten sich, als er den Wildfänger streng ansah. »Was für Kreaturen, mein wackerer Jägersmann?«, wollte er von Alphart wissen. »Wer hat deinen Bruder getötet?«
»Willst du das wirklich wissen, alter Stocker?«, fragte Alphart. Er verspürte keine Lust, über Bannharts Tod zu sprechen. Jedes einzelne Wort entfachte nur von Neuem seine Trauer…
»Allerdings.«
»Die Antwort würde dir nicht gefallen.«
»Überlass das mir«, erwiderte der Alte. Seine Augen hatten sich zu schmalen Schlitzen verengt, durch die er den Wildfänger neugierig taxierte.
»Nun gut«, sagte Alphart trotzig. »Dann lass dir gesagt sein, dass es garstige Unholde waren, Ausgeburten der Dunkelheit.«
»Wie haben sie ausgesehen?«
»In mancher Hinsicht so wie wir: Sie gehen aufrecht auf zwei Beinen, haben Arme und Hände. Aber ihre Haut ist grünbraun, ihre Häupter sind wie die von Schweinen, und ihre Augen leuchten wie die von Wölfen.«
»Dann waren es…«, begann der Einsiedler.
Alphart nickte. »Ja, es waren Erle, die meinen Bruder erschlugen – und ich habe ihnen dafür Rache geschworen.«
»Erle…«, murmelte der alte Einsiedler, und selbst im Widerschein des Feuers war zu erkennen, dass er blass wurde. »Also ist es wahr.«
»Was ist wahr?«, fragte Rionna. »Wovon sprichst du?«
Der Einsiedler antwortete nicht.
Stumm starrte er in die Flammen, und erneut hatten die drei Gefährten das Gefühl, dass eine Veränderung mit ihm vor sich ging. Alles, was an ihm eben noch alt und grau gewirkt hatte, verschwand. Sein Blick wurde wacher, seine zerfurchte Gesichtshaut schien sich zu straffen – und als er sich mit einem tiefen Seufzen erhob, schien die Zahl seiner Lebensjahre von ihm abzufallen und plötzlich nicht mehr von Bedeutung, mochten es achtzig oder achthundert sein. Auch war sein Gewand plötzlich nicht mehr alt und zerschlissen, sondern makellos weiß, so wie sein Bart.
Ein helles Leuchten schien von der Gestalt auszugehen.
Als er den Alten in seiner wahren Gestalt erblickte, fiel Leffel auch die Sichel auf, die er im Gürtel seines Gewandes stecken hatte – das Zeichen des Druidenstandes…
»Du… Ihr seid Yvolar«, entfahr es dem
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