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Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Titel: Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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raue Landschaft in blaues Licht. Wie oft hatte Alphart an diesem Platz gestanden und sich an der Erhabenheit und der friedlichen Stille geweidet, die über dem Land seiner Ahnen lag – doch damit war es nun vorbei.
    Die Berge waren in Aufruhr. Der Wildfänger konnte das Entsetzen der Natur beinahe fühlen, das Beben der Pflanzen und das Wehklagen der Tiere über das Böse, das in die Welt eingedrungen war. Schreie hallten durch die Nacht, deren schauriger Klang selbst die jahrhundertealten Bäume erzittern ließ. Und im Südosten, jenseits der weißlichen Wipfel der Bäume, sah der Jäger orangerotes Licht.
    Feuer…
    Es war die Blockhütte, die in Flammen stand und die Nacht mit loderndem Schein erhellte. Das Heim der Brüder brannte lichterloh; für Alphart bestand kein Zweifel daran, dass dies das Werk der Erle war.
    Alphart spürte unbändige Wut durch seine Adern wallen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, dass die Knöchel weiß hervortraten, und ein grimmiger Ausdruck erschien auf seinem wettergegerbten Gesicht. Noch hatte er Pfeile genug. Alles in ihm drängte danach, zurückzukehren zur Hütte und die Unholde zu bestrafen. Sein Herz schrie nach Rache – sein Verstand jedoch widersprach.
    Er musste hinunter ins Tal nach Iónador, musste die Herren der Goldenen Stadt vor der Gefahr warnen, die aus den Bergen kam.
    Es war Bannharts letzter Wunsch gewesen.
    Und Alphart würde ihn erfüllen.

 
    3
     
     
     
    Der Name des Landes, das sich nördlich des Wildgebirges erstreckte und das im Westen von den Wassern des Búrin Mar und im Osten von den trügerischen Pfuhlen des Schwarzmoors begrenzt wurde, lautete Allagáin. In der alten Sprache, die einst von den Sylfen gebracht worden war, bedeutete der Name »Heimaterde«, und für die Menschen, die die grünen Hügel und Täler diesseits des Wildgebirges bewohnten, war dies Allagáin auch.
    Im Lauf der Jahrtausende, in denen die Söhne Vanis’ über die Sterblichen wachten, hatte Allagáin einen ganz eigenen Menschenschlag hervorgebracht. Anders als die Bewohner der Nordlande und das kriegerische Waldvolk waren die Allagáiner nicht groß und schlank, sondern gedrungen und von fester Statur; sie hatten kräftige Körper auf kurzen Beinen, dazu starke Arme mit Händen groß wie Schinken, die wie geschaffen waren für fleißige Arbeit. In ihren Gesichtern prangten knollenförmige, dicke Nasen, die nicht selten gerötet waren von Wetter und Wind. Ihr Haar war wirr und struppig und von blonder bis dunkler Farbe. Die Männer, besonders die älteren, trugen Bärte, die in langen Schweifen von ihren Oberlippen hingen.
    Die Kleidung der Allagáiner war ebenso derb wie einfach: Hosen und Hemden aus Leinen, über die bei kaltem Wetter wollene Umhänge geworfen wurden. Nur Großbauern und Magistrate pflegten aufwendig gearbeitete Westen aus Leder zu tragen, die nicht selten mit Goldfäden und anderem teuren Zwirn betresst waren. Die Frauen trugen einfache lange Kleider, die Haare der Mädchen waren lang und zu Zöpfen geflochten, die der verheirateten Frauen aber kurz geschnitten, wie es der Brauch verlangte.
    Im weitläufigen Hügelland gab es kaum Straßen. Die Allagáiner brauchten sie nicht, denn für gewöhnlich genügte es ihnen, den Weg zu ihren Feldern und ins nächste Wirtshaus zu kennen. Die meisten von ihnen blieben ihrer angestammten Heimat ein Leben lang treu; kaum einen zog es in die Fremde. Daher kam es, dass den Allagáinern ein gewisser Hang zur Rückständigkeit und zur Eigenbrötlern nachgesagt wurde, was allerdings nur Außenstehende so empfanden. Unter ihresgleichen waren die Allagáiner ein herzliches Völkchen, das hart arbeitete und den Schöpfer ehrte, aber auch stets zum Feiern aufgelegt war. Dass sie zudem in der hohen Kunst des Bierbrauens bewandert waren, trug zu Letzterem einiges bei. Ein gewisser Eigensinn ließ sich bei ihnen nicht leugnen, aber ebenso zu eigen war ihnen die unbedingte Treue gegenüber ihrer Familie und ihren Freunden. Gegenüber allem Fremden hingegen, auch wenn es sich nur um einen Bewohner des Nachbartals handelte, war man aus Prinzip argwöhnisch.
    Bisweilen wurde auch behauptet, dass die Allagáiner nicht gern teilten, was sie hatten, was allerdings nur zur Hälfte der Wahrheit entsprach. Denn was sie besaßen, hatten sie in harter Arbeit und im Schweiß ihres Angesichts dem kargen Boden abgetrotzt und betrachteten es deshalb als das Ihre. Faulheit und süßes Nichtstun waren verpönt und wurden in keiner Form

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