Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
befreien ihn?«
»Dies ist dein Weg, mein Freund«, entgegnete Yvolar und bedachte ihn dabei mit einem eindringlichen Blick. »Mir war von Beginn an ein anderer Pfad bestimmt.«
»Von Beginn an?«, fragte Alphart fassungslos. »Soll… soll das heißen, du hast das… die ganze Zeit über geplant?«
»Geplant? Du fragst mich, ob ich das geplant habe?« Der Druide schüttelte den Kopf. »Du würdest diese Frage nicht stellen, hättest du wie ich dem Grauen schon einmal ins Auge geblickt. Ich bin Muortis bereits begegnet und wäre fast daran zerbrochen.«
»Warum willst du dann zu ihm?«
»Weil es kein Zufall ist, dass ich hier bin, ebenso wenig, wie es Zufall ist, dass du dich hier befindest, mein Freund. Oder solltest du daran noch immer Zweifel haben? Ich muss mich Muortis noch einmal stellen. Meine Bestimmung will es so.«
»Deine Bestimmung?« Alphart starrte den Druiden missbilligend an. »Alter Mann, du redest wirres Zeug. Schluss jetzt mit dem Gefasel! Ich werde dich begleiten und…«
»Du wirst deiner Bestimmung folgen, so wie ich der meinen folgen werde«, fiel der Druide ihm ins Wort, mit so viel Entschiedenheit, dass Alphart nicht mehr zu widersprechen wagte. »Ich weiß, dass wir nicht immer einer Meinung waren, mein rebellischer Freund«, fügte Yolar ein wenig sanfter hinzu, »aber diesmal tu, worum ich dich bitte: Befrei Dochandar und bring ihn zurück an die Oberfläche, auf dass sich auch seine Bestimmung erfüllt. Unsere Schicksale sind enger miteinander verknüpft, als du es ahnst.«
»Aber… wenn du dich dem Feind stellst und ihn besiegst – wozu brauchen wir dann noch das Sylfenhorn?«
Yvolars Blick machte ihm klar, dass der Druide einen Sieg in dem bevorstehenden Duell nicht für sehr wahrscheinlich hielt. »Selbst wenn es mir gelänge, Muortis zu bezwingen«, sagte er dennoch, »wäre da noch immer das Eis, das aus den Tiefen dringt und die Welt vergiftet. Seine Magie muss gebrochen werden, verstehst du? Um jeden Preis!«
»Ich verstehe«, erwiderte der Jäger, und schlagartig wurde ihm klar, weshalb Yvolar ein solch seltsames Gesicht gemacht hatte, als er sich von den anderen verabschiedete.
Der Druide hatte geahnt, niemals wieder an die Oberfläche zurückzukehren. Ihm war klar gewesen, dass er Walkar, Leffel und Mux nicht Wiedersehen würde.
Dennoch war er gegangen.
Ohne Zögern.
Ohne Klage.
»Leb wohl, mein Freund«, sagte Yvolar und reichte Alphart die Hand. »Es war mir eine Freude, deinen störrischen Geist ein wenig zähmen zu dürfen.«
»A-aber… ich meine…«
»Ich weiß, was du sagen willst. Doch unser gemeinsamer Weg ist hier zu Ende, mein Freund. Folg diesem Gang und tu, weswegen du hergekommen bist. Bestell Erwyn meine Grüße und richte ihm aus, dass ich trotz allem, was gewesen ist, an ihn glaube und darauf vertraue, dass er tun wird, was er kann.«
»Und du?«
»Ich werde tun, was ich kann. Zürnt mir nicht, sollten sich meine Kräfte als zu schwach erweisen.«
»D-das werden wir nicht«, versicherte Alphart, dessen Stimme plötzlich zu versagen drohte. »E-es… es war mir eine… eine Ehre«, flüsterte er, entgegen seiner sonst so rauen Art.
»Genau wie mir«, erwiderte der Druide.
Noch einmal drückte er herzlich Alpharts Hand, und ihre Blicke begegneten sich für einen Augenblick, in dem sich die vergangenen Tage und Wochen zu sammeln schienen; all die Gefahren, die Mühen und die Ängste, die sie gemeinsam durchlitten hatten.
Ihr Treffen im fernen Damasia.
Die Reise über die Berge.
Der Aufenthalt in Seestadt und die Fahrt über den Búrin Mar.
Die Zeit in der Zwergenfeste Glondwarac.
Die Suche nach der Drachenhöhle.
Und schließlich der Marsch zum Korin Nifol, wo sich ihrer aller Schicksal zu erfüllen schien.
»Leb wohl, Alphart«, sagte Yvolar noch einmal – dann wandte er sich ab, und indem sich sein Umhang bauschte, um dann einem riesigen dunklen Vorhang gleich herabzufallen, verschwand der Druide in einem Nebenstollen.
Alphart stand unbewegt.
Er brauchte eine Weile, um die Trauer niederzukämpfen, die ihn so jäh überkommen hatte. Dann erinnerte er sich an Yvolars letzte Worte und an den Auftrag, den er zu erfüllen hatte – und weiter ging sein Marsch durch das Labyrinth des Bösen.
42
Der Marschall und seine Getreuen hatten das diesseitige Ende der Brücke erreicht. Die weite Fläche des Spiegelsees war stumpf und grau und machte ihrem Namen keine Ehre; Frost und Schnee bedeckten sie, und groß war die
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