Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
machte alles nur noch schlimmer. Die Versuchung, das Signal zum Rückzug geben zu lassen, war groß, aber Galfyn hielt ihr stand. Als es darum gegangen war, das Torhaus zu erobern, hatte ihm sein Falkenbruder vertraut – nun war es an ihm zu beweisen, dass er dieses Vertrauen auch verdiente. Vielleicht, sagte er sich, brauchten Barand und der Drache nur noch ein wenig mehr Zeit, und es war seine Aufgabe, sie ihnen zu verschaffen. Auch wenn es ihn selbst das Leben kosten würde…
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»Weiter! Los, kommt doch!«
Schwer atmend trieb Alphart seine Begleiter zur Eile an. Im Laufschritt hetzten sie durch die Stollen und Gänge, um ihren Verfolgern zu entkommen, deren zornige Schreie und stampfende Schritte sie hinter sich hören konnten.
Der Wildfänger nahm an, dass die Unholde ihre erschlagenen Kumpane gefunden hatten, anders ließ sich ihre Wut kaum erklären. Geifernd und unter scheußlichem Grunzen und drohendem Waffenklirren, setzten sie den fünf Flüchtenden hinterher, die nur den einen Wunsch hatten – nämlich den, möglichst rasch aus Muortis’ dunklen Hallen zu entkommen.
Noch einmal das Tageslicht sehen, noch einmal frische Luft atmen, ehe es zu Ende ging…
Die Kraft der Verzweiflung ließ sie immer weiterlaufen, obwohl sie kaum noch konnten: Alphart, der die Gruppe einmal mehr anführte und sich fühlte, als hätte er seine Gefährten und die ganze Welt in den Untergang geleitet; Leffel, der das in seinen Umhang gewickelte Sylfenhorn trug; Erwyn, aus dessen jungem Gesicht nicht nur jede Farbe, sondern auch jede Hoffnung gewichen war; Walkar, dessen Miene noch ungleich grimmiger war als sonst; und schließlich Mux der Kobling, der von der Schulter des Bärengängers aus immer wieder gehetzt zurückschaute und in heiseres Geschrei verfiel, wenn er die eitergelben Augen der Verfolger erblickte, die aus dem Halbdunkel starrten.
Immer wieder zischten Pfeile durch die Luft, die jedoch zu hastig abgeschossen waren, als dass sie ihr Ziel gefunden hätten. Beunruhigender war die Geschwindigkeit, mit der die rasenden Unholde aufholten. Nicht mehr lange, und sie würden die Flüchtigen eingeholt haben…
»Dort entlang!«, rief Alphart und schlug sich in einen Seitengang, der in eine steile Treppe überging. Nachdem er den Rückweg bereits zum zweiten Mal ging und da er als Jägersmann über einen ausgeprägten Orientierungssinn verfügte, bereitete es ihm keine Schwierigkeit, den Weg aus dem unterirdischen Labyrinth zu finden. Mit einem weniger beschlagenen Führer hätten sich die Gefährten längst verlaufen oder wären in den Mägen der gefräßigen Feinde gelandet.
Atemlos erreichten sie die Schmiede, an der Alphart und Yvolar vorbeigekommen waren. Noch immer wurden dort die Blasebälge betätigt und die Essen geschürt, wurden Axtblätter und Schwerter auf den Ambossen geformt. Wie viele Kreaturen, so fragte sich Alphart schaudernd, mochten noch in den Klüften Dorgaskols hausen, die Muortis dem Wilden Heer einverleiben konnte? Welche Aussicht hatten sterbliche Krieger gegen eine solche Übermacht?
Keine!
Über eine Reihe schmaler Korridore erreichten sie eine weitere Treppe, die steil nach oben führte. Die Stufen waren schief und ungleichmäßig und noch dazu von Eis überzogen. Leffel glitt aus und fiel hin, schlug sich das Kinn blutig. Alphart packte ihn und zerrte ihn weiter, während sich am Fuß der Treppe schon die Erle drängten. Mit weichen Knien und Lungen, die von der kalten Luft wie Feuer brannten, hetzten die Gefährten die Stufen hinauf. Aber obwohl sie sich der Oberfläche mit jedem Schritt ein Stück näherten, schwand ihre Zuversicht, diese zu erreichen – denn die Erle, frisch ausgeruht und von roher Kraft getrieben, kamen immer näher.
Gehetzt blickte Alphart über die Schulter zurück, schaute an seinen Gefährten vorbei und erkannte, dass die Unholde nur noch einen Steinwurf entfernt waren. Ihre grünbraunen Schweinsgesichter leuchteten grausig im unwirklichen Schein.
»Weiter, immer weiter!«, drängte Alphart – auch wenn er sich insgeheim fragte, welchem Zweck diese Flucht noch dienen sollte. War es nicht besser, sich den Unholden zu stellen und hier und jetzt zu sterben?
Hätte der Wildfänger für sich allein entscheiden müssen, er hätte keinen Augenblick gezögert, sich diesen mordgierigen Kreaturen entgegenzuwerfen. Aber seine Gefährten, allen voran Leffel und der Kobling, schienen an ihrem Leben zu hängen – und Alphart, der sich für sie
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