Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
Zehnjähriger eine Sammlung von Allgäuer Sagen las und darin keine Helden vom Zuschnitt eines Odysseus, Siegfried oder König Artus fand, dafür aber eine Unzahl fantasievoller und mit wundersamen Gestalten bevölkerter Geschichten, an denen das Allgäu einen reichen Schatz sein Eigen nennt. Die Idee, aus Elementen dieser Erzählungen ein neues, großes Epos zu stricken, ließ mich von da an nie mehr ganz los – das Ergebnis halten Sie in Händen.
Dabei sind Sagenmotive nicht die einzige Quelle, aus denen sich das LAND DER MYTHEN nährt – auch Historisches ist eingeflossen, vermischt mit klassischen Fantasy-Elementen sowie solchen des keltischen Sagenkreises, der im Voralpenland ebenfalls Spuren hinterlassen hat. So wurde die Vorgeschichte der Sylfen, die vor langer Zeit aus den Bergen herabstiegen, um den Menschen die Zivilisation zu bringen, einer Reihe von Bergsagen entlehnt, die man sich in dieser oder ähnlicher Form nicht nur in Bayern, sondern auch in Österreich und Italien erzählt und die von einem legendären antiken Volk berichten, das in alter Zeit auf den Gipfeln der Berge gelebt haben soll. Die Menschen, die das Land Allagáin bevölkern, sind hingegen in gewisser Weise die Ahnen jener, die in historischer Zeit die Geschichte des Voralpenlandes prägten: die romanisch anmutenden Einwohner Iónadors ebenso wie die keltisch geprägten Krieger des Waldvolks und natürlich auch die Allagáiner selbst als die mythischen Vorfahren jenes bodenständigen Menschenschlags, der auch heute noch im Allgäu anzutreffen ist (und zu dem ich, nach eigener Einschätzung, selbst gehöre).
Die Idee, den Romanfiguren eine eigene Sprache in den Mund zu legen, entstand im Lauf der intensiven, knapp vierjährigen Vorbereitung, die in das Projekt geflossen ist. Im Wesentlichen basiert die alte Sprache Allagáins auf dem Gälischen und stellt damit eine Art »Protokeltisch« dar, wie man es in vorgeschichtlicher Zeit tatsächlich gesprochen haben könnte. Entsprechend tragen die Schauplätze, die tatsächlich existierenden Berge, Wälder und Seen im LAND DER MYTHEN andere Namen: aus dem Allgäu wurde das sagenumwobene »Allagáin«, aus dem Nebelhorn der »Korin Nifol«, aus dem Bodensee der »Búrin Mar« und aus der aus mehreren Bergen bestehenden Nagelfluhkette der »Bálan Bennian« – der hohe Wall, der das Land Allagáin jahrhundertelang vor den Unholden von Düsterfels schützte.
Es schien mir reizvoll, die Geschichte an tatsächlich existierenden Schauplätzen spielen zu lassen, die der Leser bei Interesse besuchen kann – den »Dengelstein« beispielsweise, in dessen unmittelbarer Nähe die Auseinandersetzung zwischen dem Heer Iónadors und den Waldkriegern stattfindet, gibt es ebenso wie die Höhle Fyrhacks, wie das Hexenloch, in dem Alphart und seine Gefährten die Erle bei ihrem grausigen Treiben im ersten Band beobachten, oder wie der einsame Gipfel des Nebelhorns, auf dem sich das Schicksal Allagáins entscheidet. Den Túrin Mar freilich wird man vergeblich suchen, denn samt Schildberg ist er schon vor langer Zeit verschwunden – der See allerdings, in dem Iónador versank, kann an der bezeichneten Stelle bis zum heutigen Tage besichtigt und umwandert werden.
Das Schicksal Iónadors ist gleichzeitig auch ein gutes Beispiel dafür, wie lokale Sagenmotive Eingang in meine Geschichte fanden – denn die Überlieferung weiß von Städten zu berichten, deren Bewohner so hochmütig und frevlerisch waren, dass Gott sie strafte, indem er sie in den unergründlichen Tiefen der Allgäuer Seen versinken ließ. Auch Klaigon, der Fürstregent Iónadors, ist einer Sage entliehen; sie berichtet von einem »großen Fürst der Allgäuer«, der in einer großen Festung gelebt und mit dunklen Mächten paktiert haben soll. Der Name Klaigon wurde vom keltischen Wort für »Schädel« abgeleitet.
Eines der bekanntesten Motive der Allgäuer Sagenwelt, nämlich das des »Grundmeers«, das sich unter den Hügeln und Fluren befindet und sämtliche Wasser speist, habe ich nahezu unverändert in den Roman übernommen. Interessant ist, dass auch die keltische Überlieferung jene Anderswelten kennt, die man unter der Erde vermutet. Aus der Verschmelzung beider Vorstellungen ging das finstere Reich »Urgulroth« hervor, aus dem das Eis emporsteigt und Allagáin bedroht. Der Eisdrache hat – ebenso wie sein Gegenpart Fyrhack – ebenfalls seine direkte Entsprechung in den lokalen Sagen, denn die sind reich an Lindwürmern und
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