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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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fahl leuchtenden Schleier, der flatternd um Declan wirbelte.
    Sie streckte die Hand aus und legte sie auf seine, worauf er sie mit seinen Sternenaugen ansah und die Magie in sich aufnahm und umhüllte wie die Scheide das Schwert. Sie hätte nicht sagen können, was sie mehr beeindruckte: das schiere Ausmaß seiner Macht oder die Leichtigkeit, mit der er sie kontrollierte.
    Lee öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder. Großmama schaute gequält. Bis jetzt hatten einige von ihnen womöglich geglaubt, sie hätten mit Declan fertig werden können, falls es darauf ankam, doch nun erkannten sie, dass sie ihn mit vereinten Kräften vielleicht hinhalten konnten, ihn zu töten jedoch auf einem ganz anderen Blatt stand.
    Adele beugte sich vor. »Wir würden jetzt gerne von Casshorn hören«, sagte sie. »Falls das möglich ist, Lord Camarine.«
    Declan beugte sich seinerseits vor. »Was ich Ihnen jetzt sage, muss unter uns bleiben. Falls irgendetwas davon nach außen dringt, werde ich zurückkehren müssen, und ich werde nicht allein kommen«, erklärte er.
    Alle am Tisch nickten.
    »Alles begann während der Herrschaft des Sonnendrachens«, sagte Declan. »Im Broken gelangten Siedler aus der Osthälfte der Welt in den Westen und töteten die Eingeborenenstämme, die weder über Technologie noch über wirksame Widerstandsmittel verfügten.«
    Lee sah aus, als hätte er gerne etwas gesagt, überlegte es sich aber anders.
    »In meiner Welt geschah das Gegenteil. Dieser Kontinent war die Heimat eines mächtigen Reiches, seine Bewohner nannten sich Tlatoken , und ihr Herrschaftsgebiet war das Königreich des Sonnendrachens. Ihre Magie entstammte den Urwäldern und erwies sich als so mächtig, dass es kaum ein Mittel dagegen gab. Vor etwa 1600 Jahren überquerten sie den Ozean und fielen in den Kontinent im Osten ein, sie terrorisierten die Küste von Anglia und das heutige Gallische Reich bis nach Etruria im Süden. Sie erschlugen die Männer, schändeten die Frauen, raubten die Sklaven und pressten den Überlebenden Kessel voller Goldstaub als Tributzahlung ab. Das ging etwa zweihundert Jahre lang so weiter, bis sie auf einmal damit aufhörten. Normalerweise verebben solche Raubzüge allmählich, doch die Tlatoken verschwanden von einem Tag auf den anderen.«
    Declan schwieg.
    »Irgendwas hat dem Königreich des leuchtenden Lindwurms die Tour vermasselt«, meinte Tom Buckwell.
    Declan nickte. »Die Raubzüge kurbelten die Forschung an. Und ein Jahrhundert später hatten die Menschen des Ostkontinents herausgefunden, wie sie den Ozean überqueren konnten, aber ihre Furcht vor den Tlatoken blieb so groß, dass noch fast dreihundert Jahre ins Land gingen, bis die erste Expedition in See stach. Als die Kriegsflotte die Küste des Westkontinents erreichte, fand die Besatzung dort keine Tlatoken. Sie stieß auf die Ruinen zahlreicher Städte und Tempel, aber nirgendwo auf Menschen. Sogar ein Großteil der mit Magie gesättigten Flora und Fauna, mit der die Mannschaft gerechnet hatte, fehlte. Die Wälder waren jung, noch heute findet man kaum einen tausendjährigen Baum. Die Tier- und Pflanzenarten, die überlebten, erwiesen sich als außerordentlich widerstandsfähig. Die Tiere im Westen sind größer und stärker als ihre Verwandten im Osten; etwas so Schwerfälliges wie die Vampirranke zum Beispiel hat sich hier zu einem aktiven Räuber entwickelt.«
    »Und was hat den Tlatoken den Garaus gemacht?«, wollte Jeremiah wissen.
    »Das weiß man nicht genau. Die Erforschung der Ruinen hat keine endgültigen Antworten ergeben. Wenn etwas die Einwohner getötet hat, muss es sie vollständig vertilgt haben, da nicht mal intakte Skelette übrig blieben. Aber die Forscher haben Anzeichen für Kämpfe gefunden: zerschlagene Möbel, Risse in den Wänden, Kratzspuren.«
    »Bluthunde«, sagte Großmama.
    Declan fuhr fort. »Schließlich fand man auch Überlebende, einzelne Verbände, die sich in der Wildnis versteckten. Diese Menschen waren kaum wiederzuerkennen. Legenden zufolge hatten die Plünderer Rüstungen aus Eisen und Gewänder in leuchtenden Farben getragen, ihre Nachfahren jedoch waren auf eine primitive Entwicklungsstufe herabgesunken. Magie durften sie ebenso wenig einsetzen wie Felder bestellen. Die ehemaligen Tlatoken lebten nun in kleinen nomadischen Gruppen, sie trugen Felle und jagten mit Pfeil und Bogen oder mit Speeren. Binnen dreihundert Jahren hatte sie sich von einer glorreichen, fortgeschrittenen Zivilisation zu

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