Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
sie jemals dafür drankriegen.«
»Das ist nicht richtig«, sagte er.
Sie zuckte die Achseln. »So läuft das hier eben. Ich finde es beachtlich, wie Sie sich da hineinzuversetzen versuchen. Mir ist schon klar, dass Ihnen das sehr merkwürdig vorkommen muss, wo die Blaublütigen im Weird doch die entscheidende Instanz sind.«
»Das stimmt so nicht ganz. Die entscheidende Instanz ist das Gesetz. Wir sind lediglich besser trainiert und ausgebildet, um dem Gesetz Geltung zu verschaffen, als andere, aber wir sind genauso daran gebunden wie alle übrigen Bürger.«
»Und was sagt das Gesetz über Zwangsheiraten?«, wollte sie wissen.
»Das Gesetz gilt nur für Bürger des Weird. Und das sind Sie nicht.«
Autsch! Da wurde sie also wieder mal zur Außenseiterin abgestempelt. Rose stand auf und klopfte sich ihre Jeans ab. »Tja, dann ist es ja gut, dass Sie verlieren und mit leeren Händen nach Hause zurückkehren müssen.«
»Ich werde nicht verlieren«, entgegnete er. »Aber von nun an werde ich mir Mühe geben und mich an die Regeln des Edge halten.«
Sie blinzelte verblüfft. Bei Declan musste man mit mehr überraschenden Wendungen rechnen als am Rough Butt Creek, der sich durch East Laporte schlängelte. Zuerst hatte er Jack gerettet. Das bekam sie ja noch auf die Reihe – schließlich konnte er, wenn er sie heiraten wollte, schlecht tatenlos zusehen, wie ihr Bruder in Stücke gerissen wurde. Aber dann hatte er auch noch Amy und ihren Kindern geholfen und war ihr ins Broken gefolgt, und jetzt gab er auch noch zu, dass etwas über seinen Horizont ging, was eigentlich mächtig an seiner Fassade kratzen müsste. »Warum haben Sie Amy geholfen?«, erkundigte sie sich.
»Warum nicht? Sie war in Schwierigkeiten, und ich hatte die Möglichkeit, ihr beizustehen. Jeder vernünftige Mensch würde so handeln. Warum haben Sie ihr geholfen? Sie waren sogar bereit, für Leannes Kind in die Bresche zu springen, obwohl Leanne Sie nach eigener Aussage während Ihrer Kindheit gehänselt hat.«
»Das ist etwas anderes.«
Er beugte sich neugierig vor. »Wieso?«
Rose suchte nach Worten. Sie hatte noch gar nicht darüber nachgedacht, warum sie es getan hatte. Es war eine instinktive Reaktion gewesen. »Er ist doch noch ein Kind«, sagte sie schließlich.
»Und wenn Leanne in dem Zimmer in der Falle gesessen hätte? Hätten Sie ihr dann auch geholfen?«
»Ja.« Wie kam er eigentlich dazu, den Spieß einfach umzudrehen? Sie war diejenige, die hier die Fragen stellte.
»Warum?«
Sie schürzte die Lippen. »Weil nichts, was Leanne mir angetan hat, so furchtbar war, wie von diesen Biestern bei lebendigem Leib in Stücke gerissen zu werden.«
»Das war sehr tapfer von Ihnen«, meinte Declan.
Was er denkt, ist mir egal, sagte sie sich. Seine Meinung spielt keine Rolle.
»Lassen Sie mich bei Ihnen bleiben«, sagte er.
»Nicht in einer Million Jahren.« Als Blaublütiger war Declan gefährlich. Und als Mensch noch zehnmal gefährlicher. »Sie sollten endlich aufhören, sich in mein Bett quatschen zu wollen, Declan, das führt ja doch zu nichts.«
»Wenn ich in Ihr Bett wollte, würde ich es etwa so anfangen.«
Seit sie sich mit Männern traf, hatte Rose schon das eine oder andere »eindeutige Angebot« geerntet, aber Declan stellte seine Vorgänger weit in den Schatten. Er fixierte sie unter Ausschluss der restlichen Welt; ohne sie direkt anzustarren, blickte er sie so eindringlich an, als wolle er sie auf ein über einen Abgrund gespanntes Hochseil locken und als sei es ihm vollkommen gleichgültig, ob sie beide zu Tode stürzten, solange sie dabei nur einen Schritt auf ihn zukam. Sein Blick durchlöcherte ihren Widerstand, Rose errötete, fühlte sich plötzlich linkisch und überempfindlich wie ein Mädchen, das bemerkt, dass es von einem Jungen angesehen wird, und sich zum ersten Mal seiner Weiblichkeit bewusst wird.
»Rose«, sagte er, als würde er ihren Namen abschmecken. »Lassen Sie mich rein.«
Sie schüttelte nur den Kopf. Zu mehr war sie nicht fähig.
»Soll ich mich entblättern und Sie mit meinem männlichen Körper verführen?«
Plötzlich war der Bann gebrochen und sie lachte. »Das würde nicht klappen, aber wie könnte ich Euch aufhalten wollen, Euer Exzellenz, wenn Ihr Euch unbedingt zum Gespött machen wollt.«
Declan seufzte. »Euer Exzellenz oder Hochwürden gilt als angemessene Anrede für einen Botschafter oder einen Bischof katholischen oder zoroastrischen Glaubens, der sich als Stellvertreter des
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