Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
Aber er wollte mich mit einem Knüppel niederschlagen und an Robs Alten verscherbeln. Seitdem hasse ich ihn. Und zwar so sehr, dass meine Hände sich automatisch zu Fäusten ballen, wenn er in der Nähe ist, und ich bekomme es nicht einmal mit. Als Sie ihn heute blutig geschlagen haben, war das einfach herrlich.«
Die harte Linie seines Mundes entspannte sich ein wenig. »Herrlich?«, fragte er.
Sie nickte. »Ich werde mich mein Leben lang daran erinnern, wie er sich in seiner eigenen Kotze gewälzt hat. Andererseits hat mich das meinen Job gekostet.«
»Das habe ich gehört«, sagte er. »Ich wollte nicht, dass Sie Ihre Stellung verlieren.«
Rose winkte ab. »Sie müssen gar nicht so bescheiden tun. Das haben Sie doch brillant eingefädelt – ich werde rausgeschmissen, verliere meine einzige Einkommensquelle, und Sie stehen als mein Held und Retter da.«
Declans Augenbrauen trafen sich fast. »Das ist brillant. Wäre ich doch bloß selbst darauf gekommen. Bedauerlicherweise wollte ich nur einem anderen Menschen hilfreich zur Seite stehen. Brad wollte sich mit mir unterhalten. Da konnte ich ihm doch nur ein geneigtes Ohr leihen.«
Declan, der gute Samariter. Sie grinste. »Und großzügigerweise haben Sie ihm auch gleich noch Ihre Faust geliehen.«
»Nun, Sie haben gewiss nicht erwartet, dass ich ihn mit der flachen Hand schlage. So etwas tut man nämlich nicht.« Declan erwiderte ihr Lächeln. Es war ein echtes Lächeln, und es verwandelte sein Gesicht. Anstelle eines Blaublütigen sah sie plötzlich einen Mann, einen lebendigen, atmenden Mann, unwiderstehlich gut aussehend, und lustig, jemand, den sie gerne kennengelernt hätte. Ein schockierender Effekt.
Rose blickte auf ihre Füße, um ihre Reaktion vor ihm zu verbergen. Welcher war der echte Declan? So lautete hier die Frage.
»Zurück zu Brad«, sagte sie. »Als er mich mit dem Knüppel schlug, habe ich einen Blitz nach ihm geschleudert. Der Blitz war nur schwach, er hat ihn nicht umgebracht, aber schwer verletzt. Ich höre ihn im Schlaf immer noch schreien. Aber soweit es das Edge betrifft, ist dieses spezielle Verbrechen gesühnt. Und jetzt kommen Sie und machen ein neues Fass auf.«
»Aber ein herrliches Fass«, erinnerte er sie.
Sie musste unwillkürlich lachen und sah zu ihm auf. »Kann man wohl sagen. Brad hat den Arsch vollgekriegt, und die Simoens haben dafür meinen Job gekillt. Ich gebe Ihnen nicht die Schuld daran. Konnte ja keiner wissen, dass meine Arbeit dabei den Bach runtergehen würde. Aber ich habe keine Ahnung, wie ich meine Familie durchbringen soll.«
»Tut mir leid«, sagte er.
»Danke.«
»Es geht also um so etwas wie eine komplexe mathematische Gleichung«, meinte Declan, »bei der unter dem Strich immer eine Null stehen muss.«
»Ja, aber das funktioniert nicht immer. Manche kommen mit allen möglichen Sachen davon. Trotzdem haben wir’s gerne, wenn die Bilanzen ausgeglichen sind. Die Leute hier geben einem die Möglichkeit, Streitigkeiten selbst beizulegen, aber wenn das dazu führt, dass einer, ohne genau hinzusehen, andere Menschen umbringt oder zum Krüppel macht, dauert es nicht lange, bis sich die ganze Stadt zusammentut und denjenigen fertigmacht, und sei er noch so mächtig. Nehmen Sie Rob: Der ist ein Wurm, und mir ein eindeutiges Angebot zu machen war das Letzte. Eine Demütigung, für die ich ihn gedemütigt habe. Jetzt sind wir quitt, und das Beste daran ist, dass Rob glaubt, außer uns dreien wisse keiner darüber Bescheid. Er wird das nicht vergessen, Sie wird er auch nicht vergessen, und wenn er die Gelegenheit dazu bekommt, wird er mir noch mal eins reinwürgen, aber er ist wenigstens nicht in aller Öffentlichkeit vermöbelt und zur Lachnummer des Edge gemacht worden. Doch wenn Sie ihn verfolgen und zu Brei schlagen, muss er es Ihnen heimzahlen. Die Simoens sind eine große, reiche Familie. Meine Familie ist sehr klein. Ich sollte Ihnen das vermutlich nicht auf die Nase binden, aber ich habe nur meine beiden Brüder und meine Großmutter.«
»Das dachte ich mir bereits«, sagte er. »Und ich weiß, dass Sie Ihre Brüder lieben und sich nur im äußersten Notfall auf die beiden verlassen würden.«
»Dann verstehen Sie mich sicher«, gab sie zurück. »Ich kann es unmöglich mit den Simoens aufnehmen. Meine Blitze sind sehr heiß. Aber wenn Sie Rob zusammenschlagen, komme ich gar nicht mehr dazu, einen zu schleudern. Die Simoens erschießen mich dann womöglich von irgendeinem Baum aus, und keiner wird
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