Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
mir ist scheißegal, welche Farbe Ihr Blut hat, wie alt Ihre Familie ist oder wie reich und mächtig Sie sind. Ich lasse Sie bei mir wohnen, weil Sie dafür bezahlen und weil ich mit dem Rücken zur Wand stehe. Aber glauben Sie nicht, Sie könnten deshalb über mich bestimmen oder sich in mein Leben einmischen.«
Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und ging ins Haus. Declan folgte ihr auf dem Fuß.
Großmama saß am Küchentisch. Ihr Gesicht war sehr blass. Sie starrte Declan an, als sei er ein Psychokiller. Rose machte ihr deswegen keinen Vorwurf. Seine Augen wirkten wie schockgefrostet, und seine Miene verhieß ein Donnerwetter.
»Wo sind die Jungs?«, fragte Rose, als sie Declans über einen Stuhl gebreiteten Umhang bemerkte. Er war also zuerst hier hereingekommen, bevor er ihr hinters Haus nachgegangen war.
»Im Bett«, antwortete Großmama mit sorgsam unbeteiligter Stimme.
»Dann müssen wir sie auch nicht aufwecken. Declan und ich gehen zurück zum Haus. Ich hole die beiden morgen früh ab.«
Declan griff nach seinem Umhang, hängte ihn über seinen linken Arm, verneigte sich, nahm behutsam Großmamas Hand und fuhr mit den Lippen über ihre Fingerknöchel. » Je vous remercie avec tout mon cœur pour votre accueil si chaleureux et de votre gentillesse. Bonne nuit, Madame Éléonore .«
» Je vous en prie. Au revoir .« Großmamas Stimme stockte vor Anspannung.
Rose sträubten sich die Haare. Sie verstand kaum Französisch, aber »Danke« und »Ihre Liebenswürdigkeit« hatte sie aufgeschnappt. Declan trat an die Außentür und hielt sie ihr auf.
»Rose, du kannst auch bleiben«, sagte ihre Großmutter schnell.
»Nicht nötig.« Rose zwang sich zu lächeln und verließ das Haus.
Sie wartete, bis sie den Rasen hinter sich hatten und den Fußweg zu ihrem Haus einschlugen, bevor sie zu ihm herumfuhr. »Was haben Sie ihr gesagt?«
»Vielen Dank für Ihren freundlichen Empfang und Ihre Liebenswürdigkeit. Gute Nacht, Mrs Éléonore.«
»Und was haben Sie im Haus meiner Großmutter gewollt?«
Seine Stimme ätzte. »Sie gesucht. Sie waren sehr lange fort, da dachte ich, Sie könnten in Gefahr sein, also bin ich Ihnen gefolgt. Besonders schwer war das nicht – Ihr Schubkarren hat sehr deutliche Spuren hinterlassen.«
Sie stierte ihn an. »Sie haben meiner Großmutter Angst eingejagt.«
»Ich war die Höflichkeit selbst.«
»Klar, deshalb sitzt sie jetzt auch in ihrer Küche und guckt wie eine Hirschkuh im Scheinwerferlicht. Kommen Sie nie wieder hierher. Nie wieder. Meine Großmutter hat mit alldem nichts zu tun.«
Er trat näher an sie heran. »Jetzt hören Sie mir mal zu. Hier gehen Dinge vor, gegen die Sie nicht gewappnet sind. Und, ob es Ihnen gefällt oder nicht, ich habe beschlossen, Sie davor zu beschützen. Wenn das bedeutet, dass ich das Haus Ihrer Großmutter betreten oder Ihnen ins Broken folgen muss, dann müssen Sie sich eben damit abfinden, denn Sie können mich nicht aufhalten, selbst wenn Sie und Ihresgleichen ihre sämtlichen Zauberkräfte vereinigen.«
Angestachelt von ihrem Zorn, regte sich die Magie in ihr. Mit einem Mal glänzte die Nacht zu fahl, und ihr ging auf, dass ihr Blitz in ihre Augen getreten war und sie aufleuchten ließ. »Da wäre ich mir nicht so sicher«, knirschte sie.
Er zog ungläubig die Augenbrauen zusammen, seine eigenen Augen strahlten weiß. So starrten sie einander an.
»Reden wir nicht länger um den heißen Brei herum, Rose. Sie haben Ihre Arbeit verloren. Daher haben Sie jetzt alle Zeit der Welt. Und für morgen haben Sie mir die erste Prüfung versprochen. Ich warte.«
»Sie bekommen Ihre Prüfung.«
»Ich freue mich schon darauf.«
»Schön.«
»Schön.«
Auf dem Heimweg sprachen sie kein Wort miteinander.
12
Jack bummelte hinter Rose und Georgie ins Haus. Rose wandte sich der Küche zu, Georgie ging ins Kinderzimmer, während Jack unschlüssig noch ein bisschen im Wohnzimmer herumhing. Wenn er wieder vors Haus ging, würde er innerhalb der Wehrsteine bleiben müssen. In der Küche könnte er sich hingegen etwas zu essen stibitzen …
Jack kam an der Tür zu Declans Zimmer vorbei und blieb wie angewurzelt stehen. Der Blaublütige saß auf dem Bett. Vor ihm, auf einer groben Decke, lagen Messer. Viele, viele scharfe Messer. Durch die Fenster fiel Sonnenlicht ins Zimmer und spielte auf den glatten Oberflächen der Klingen.
Declan nahm eines der Messer und fuhr mit einem weichen Tuch darüber, in der Luft lag ein würziger Geruch:
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