Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
angestammten Privilegien. Mein Freund war nun sein Alleinerbe und als solcher für das Reich unantastbar. Casshorn zahlte für seine Freilassung einen Wucherpreis.«
»Das war doch sehr freundlich«, sagte Rose.
Declan sah sie ausdruckslos an.
»Habe ich was Falsches gesagt?«
»Casshorn ist ein Bandit, der die Ehre des Herzogtums besudelt. Er hat meinen Freund gewiss nicht aus Freundlichkeit adoptiert, sondern weil er ihn nur so vor der Hinrichtung bewahren konnte. Schauen Sie, mein Freund führt eine tödliche Klinge, und er hasst …«
Sie spürte einen beklemmenden Anflug verdorbener Magie. Rose fröstelte. Sie glaubte nicht wirklich, dass sie sämtliche Bestien erledigt hatten, aber gehofft hatte sie es schon. Offenbar vergeblich.
»Sprechen Sie weiter«, sagte Declan. »Ich bezweifle, dass dieses Geschöpf uns verstanden hat, aber wahrscheinlich reagiert es auf den Tonfall unserer Stimmen.«
»Wo ist es?«, fragte sie munter.
»Links, neben dem kleinen Schuppen. Gehen wir ein bisschen spazieren.«
Er erhob sich und bot ihr seine Hand, die sie automatisch ergriff, bevor ihr aufging, was sie da tat. Nebeneinander gingen sie Richtung Fahrweg. Ihre Hand lag in Declans gefühllosen Fingern, sie wirkten fast wie zwei Teenager, die miteinander gingen. Währenddessen sammelte er seine Magie für einen höllischen Blitz, sein ganzer Körper spannte sich an, vibrierte vor mühsam gebändigter Gewalttätigkeit. Ihr war, als ginge sie neben einem Tiger, der beschlossen hatte, ihr zu vertrauen: Declan hielt ihre Hand ohne Druck, aber er würde sie bestimmt nicht davonkommen lassen.
Jetzt drückte er ihre Finger. Im gleichen Moment spürte Rose eine Verbindung zwischen ihnen, ein alarmierend eng geknüpftes Band. Sie blickte ihn an, um sich davon zu überzeugen, dass sie sich das nur einbildete, und sah ihren Gedanken in seinem Gesicht gespiegelt: Er hielt ihre Hand, und es gefiel ihm.
Sie wandte sich ab.
»Kommen Sie etwas näher.« Declan verstärkte kaum spürbar den Druck auf ihren Arm, ohne ihre Hand jedoch loszulassen.
Das Wesen kauerte in den Myrthen neben dem Schuppen. Wie es sich ohne Furcht dem Tageslicht aussetzte, erschien es unheimlich.
Declan sprach mit ruhiger Stimme. »Wenn ich es sage, ducken Sie sich, dann –«
»Nein.«
»Was soll das heißen?«
»Ich will nicht, dass Sie es töten. Sie veranstalten Ihr Feuerwerk und legen meinen Schuppen in Schutt und Asche.« Und Großvater Cletus gleich dazu. Sie mochte gar nicht daran denken, wie Georgie darauf reagieren würde.
Er reagierte ungehalten. »Ich veranstalte hier kein Feuerwerk.«
»Erzählen Sie das Amy mit ihrem Dach.«
»Wegen diesem Feuerwerk erfreuen wir uns alle noch bester Gesundheit.«
Das Wesen beobachtete sie und machte keine Anstalten näher zu kommen.
»Ich sage ja gar nicht, dass keine Notwendigkeit bestand. Aber das war ihr Haus. Sie ist keine Adlige, die in Geld schwimmt. Sie kann nicht mal eben mit der Hand wedeln und sich ein neues Dach verschaffen. Und Sie haben sie nicht mal vorgewarnt. Die Menschen brauchen einen Moment, um sich auf so einen Schock gefasst zu machen.«
Declan blieb stehen und sie mit ihm. Sie waren viel zu nah dran. Rose wandte dem Wesen den Rücken zu. Sie spürte, wie die Magie der Bestie schleimig prickelnd ihr Rückgrat hinabsickerte.
Declan biss die Zähne zusammen, worauf seine untere Gesichtshälfte noch kantiger wirkte. »Dieser Bluthund ist weniger als einen Meter vom Schuppen entfernt. Ich kann ihn unmöglich treffen, ohne dabei den Schuppen anzusengen. Das ist physikalisch nicht drin. Und meine Schwerter habe ich im Haus gelassen.«
»Deshalb sollten Sie das hier mir überlassen.«
»Wie, um Himmels willen, wollen Sie das anstellen?«
»So.« Sie wirbelte herum und schleuderte einen blendend weißen Lichtbogen gegen die Bestie. Der Blitz traf und trennte wie ein riesiges Rasiermesser den Kopf der Bestie vom Hals. Der kopflose Rumpf verharrte einen langen Augenblick in halb kauernder Stellung und kippte dann um. Die bedrückende Magie verging.
Declan starrte sie mit offenem Mund an.
Rose lächelte.
Declan gab ihre Hand frei und schritt zu dem kopflosen Leichnam. »Hm«, machte er.
»Selber hm«, gab sie zurück und machte sich daran, das Gebüsch nach Anzeichen auf weitere Bestien zu überprüfen. Sie spürte nichts, aber das hieß nicht, dass dort nichts mehr war.
Sie durchsuchten das Unterholz, doch keine weitere Bestie hielt sich bereit.
»Wo kommen die bloß immer her?«,
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