Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
Declan.
»Natürlich ist das derselbe William! Bevor ich zurückkam, hatte ich gerade meinen Exchef von einem Baum geschnitten, ein Formwandlerwolf hatte ihn darangehängt! Ihn in Plastikfolie gewickelt, kopfüber aufgehängt und eine Spur aus Autoteilen für mich ausgelegt, damit ich ihn auch ja finde. Und William weiß, wer Emerson ist. Als wir das letzte Mal gesprochen haben, hat er mich ausdrücklich nach ihm gefragt. Was ist bloß mit Ihnen beiden los? Halten Sie das alles etwa für eine Art Spiel? Dieses Ding hatte recht, stimmt’s? Wir sind nichts als Köder für Sie.«
Declans Augen überzogen sich mit Raureif. »Rose, Casshorn kam der Verstand schon zu den Ohren heraus, bevor er diesen Schlamassel überhaupt angezettelt hat. Und jetzt ist er völlig von der Rolle, das sehen Sie doch sicher auch! Er war nie ein richtiger Soldat, oder ein richtiger Wissenschaftler, oder ein richtiger Edelmann, und nun ist er nicht einmal mehr ein richtiger Mensch. Er gelangte zu Macht wie die Jungfrau zum Kind, und das frisst ihn auf. Man muss ihn erlegen wie einen tollwütigen Hund. Niemand auf seiner Seite wird um ihn trauern, und das weiß er. Sie dürfen ihm kein Wort glauben.«
Sie gab nichts auf seine Argumente. Er hatte sie belogen. Dabei hatte sie tatsächlich geglaubt, dass da etwas zwischen ihnen wäre. Sicher, sie wusste es besser, und, klar, die Abmachung mit den Prüfungen war ein Riesenschlag gegen ihn, davon abgesehen schien er ihr schwer in Ordnung zu sein. Sie war so wütend, sie konnte nicht mal mehr geradeaus schauen. Wütend auf ihn, weil er gelogen hatte, zornig auf sich selbst, weil sie ihm seine Lügen abgekauft hatte, und wütend auf die ganze Welt, weil sie wieder einmal für irgendwen als Mittel zum Zweck herhalten musste. Der Zorn saß ihr in der Brust und tat weh.
»Wo waren Sie heute Morgen mit Jack?«
»Im Wald.«
»Wozu? Lügen Sie mich nicht an, Declan, sonst hole ich meinen Bruder, und der wird mir bestimmt die Wahrheit sagen.«
»Ich habe ihm beigebracht, wie er der Fährte der Bluthunde folgen kann.«
»Sind Sie noch ganz bei Trost? Er ist doch noch ein Kind.«
Declans Kieferpartie bekam etwas Unnachgiebiges. »Er ist aber auch ein Gestaltwandler, klug, geschickt und schnell. Er war keinen Augenblick in nennenswerter Gefahr, ich befand mich nie weiter als eine halbe Meile von ihm entfernt.«
»Und weil er ein Gestaltwandler ist, können Sie einfach so über ihn verfügen?«, versetzte sie. »Oder liegt es daran, dass er bloß ein Mischling ist?«
»Sie hören nicht zu. Jack war nicht in Gefahr.«
»Tut mir leid. Anscheinend habe ich da was in den falschen Hals gekriegt. Die Bluthunde sind nur ein paar harmlose, kuschelige Osterhasen. Deshalb haben Sie mir auch vor einer Stunde die Küche vollgeblutet.«
»Das ist etwas vollkommen anderes. Ich war allein auf engstem Raum, ohne die Möglichkeit, meine Blitze einsetzen zu können. Jack hingegen befand sich im Laubdach und hatte strenge Anweisung, sofort zu mir zu kommen, sobald er die Bluthunde wittert.«
»Na, das war ja mal ’ne Maßnahme. Die würden ihn doch in den Bäumen erwischen, bevor Sie Ihr Schwert auch nur gezückt hätten.«
Declan knurrte. »Sie verhätscheln die Kinder, Rose. Vor allem Jack.«
Sie funkelte ihn an.
»Er ist ein Raubtier. Er ist acht Jahre alt, und George sogar schon zehn. Aber keiner hat den beiden die Grundlagen der Selbstverteidigung beigebracht oder das Führen einer Klinge. George weiß nicht einmal, wie man ein Messer hält. Und Jack hat mir erzählt, dass er noch nie auf einem Pferd gesessen hat. Wie sollen sie da, Ihrer Meinung nach, überleben? Sie können sich schließlich nicht immer an Ihrem Rockzipfel festhalten.«
Ihr blieb die Spucke weg, und eine Sekunde lang bekam sie keinen Ton heraus. »Sie mischen sich in unser Leben ein, drängen sich mir förmlich auf, und jetzt stellen Sie auch noch infrage, wie ich meine Brüder erziehe. Wofür, zum Teufel, halten Sie sich eigentlich? Versuchen Sie das erst mal selbst, Declan. Versuchen Sie, zwei Jungs großzukriegen, wenn Sie selbst gerade mal verdammte achtzehn Jahre alt sind. Wenn Ihre Mutter tot ist und Ihr Vater sich auf und davon gemacht hat. Wenn Sie nicht mal den Mindestlohn verdienen und jeden Abend vor Erschöpfung ins Bett fallen, während die halbe Stadt hinter Ihnen her ist, um Sie an den Meistbietenden zu verkaufen.«
»Ich habe nicht gesagt, dass Sie Ihre Sache schlecht gemacht haben, aber Sie können ihnen unmöglich alles
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