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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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noch zwei Prüfungen vor sich«, rief sie ihm ins Gedächtnis und floh quer durchs Haus auf die Veranda.

 
    17
    Draußen schien gleißend die Sonne, der frühe Nachmittag stand in voller Blüte. Rose holte tief Luft und versuchte, wieder zu sich zu kommen. Ein Teil von ihr wäre am liebsten ins Haus zurückgelaufen, während der Rest in ätzendes, ungläubiges Gelächter ausbrach. Zurücklaufen, klar! Und dann? »Hier bin ich. Nimm mich, nimm mich« schreien?
    Sie schüttelte den Gedanken ab. Eines musste sie Declan lassen: Der Mann war ein Verführer. Nicht dass er sich furchtbar viel Mühe geben musste, wenn man bedachte, wie gut er aussah und was für eine leichte Beute sie war. »Du bist bei mir in Sicherheit, Rose, blabla.« Alles klar. Sicherheit. Irgendwann musste sie wieder rein und ihm in die Augen schauen, doch sie hatte keinen Schimmer, wie sie das anstellen sollte.
    Er wohnte bei ihr, was bedeutete, dass langsam ein paar verbindliche Regeln fällig waren: Ihn nicht beobachten, wenn er morgens mit seinem Schwert herumfuchtelte; nicht an ihn denken, außer wenn es darum ging, wie sie ihn bei einer Prüfung schlagen konnte; nicht –
    Mitten auf ihrer Wiese, direkt hinter der Wehrlinie, stand ein Mann. Er flimmerte leicht, matt und durchscheinend, als bestünde er aus zahlreichen Schichten dunkler Damenstrumpfhosen. Sein Gesicht war unter einer Kapuze verborgen, doch sie konnte seine Hände sehen. Sie hatten die gleiche fleckige Blutergussfarbe wie das Fell der Bluthunde.
    »Es hat eine Weile gedauert, bis Sie mich bemerkt haben, meine Liebe«, sagte er jetzt. Seine Stimme klang kultiviert, weich, und er rollte ein wenig das R. Genau wie Declan. »Ich hatte recht, Sie sind wirklich appetitlich.«
    Was, zum Teufel, soll das jetzt ?
    Sie trat von der Veranda und ging langsam auf den Mann zu. Er schien aus der grauen Masse hervorzugehen, die den Bestien als Blut diente, und als sie näher kam, sah sie, wie zwei tote Bluthunde sich in Windeseile darin verwandelten.
    Je näher sie kam, desto strenger wurde der Gestank der Magie. Noch ein Stück. Gerade so weit, dass ihr Blitz den Mann nicht verfehlte – wenn es zum Äußersten kam. »Wer sind Sie?«, fragte sie dann.
    »Ich bin Lord Casshorn Eratres Sandine.« In einer geschmeidigen Verbeugung senkte die Gestalt den Kopf. »Es ist mir ein Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen. Wenngleich Höflichkeit unter den gegebenen Umständen eigentlich nicht erforderlich ist, aber liebgewonnene Angewohnheiten legt man eben nicht so leicht ab, Sie verstehen. Sie müssen mir diese kleine Schwäche vergeben.«
    Casshorn also, der Mann, der Declans Gestaltwandlerfreund adoptiert hatte. Spitz wie ein Eiszapfen bohrte sich das Erschrecken in ihr Rückgrat. Das konnte kein Zufall sein. Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und mit fester Stimme zu sprechen. »Diese Bluthunde, die uns angreifen, gehören die zu Ihnen?«
    »Streng genommen gehören sie zu niemandem, aber, ja, ich bin ihr Anführer und beabsichtige, ihnen auch weiterhin zu sagen, was sie tun sollen.« Er hörte sich ganz vernünftig an, wie ein gern gesehener Gast, der bei einer Tasse Tee auf der Veranda den neuesten Klatsch mit ihr erörterte. »Ich bin … ein Teil von ihnen. Und sie sind ein Teil von mir. Eine äußerst kuriose Symbiose.«
    Er hob eine Hand und hielt sie ihr hin. An den Spitzen seiner deformierten, viel zu langen Finger sah sie Ansätze von Krallen. Seine Haut hatte die Farbe der Bluthunde, war jedoch eine Schattierung dunkler. »Wir sind eins«, sagte er. Ein dunkler Vorhang aus Magie breitete sich vor ihm aus und floss auflodernd an der Grenze ihres Wehrs entlang. Darin, wie Blutgefäße, ineinander verschlungene leuchtende Adern in Purpur und Gelb.
    Die Magie schlug aus und trommelte gegen das Wehr, um durchzubrechen. Sie zuckte zurück, aber die Steine hielten stand.
    »Warum töten Sie uns?«
    »Wegen Ihrer Magie. Ihr Tod ist dabei unvermeidlich. Es ist ganz einfach: Ihre Körper enthalten Zauberkräfte, die meine Hunde einsammeln und mir übergeben, sodass ich noch mehr Hunde erschaffen kann, und so weiter, und so weiter … Ich muss gestehen, das Abschöpfen der Magie ruft gewisse Urinstinkte in mir wach. Ein Bedürfnis, lebendiges Fleisch von den Knochen zu schälen und zu zerfetzen. Köstlich. Eine wirklich exquisite, beinah schmerzhafte Ekstase. Und ganz gleich, wie oft ich meiner Leidenschaft fröne, mein Hunger lässt sich niemals vollständig stillen. Ich kann noch ein

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