Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
Schlange. Wenn es Karmash gelingt, ihn zu finden, ohne dabei entdeckt zu werden, wartet er, bis wir kommen und ihn gefangen nehmen. Aber wenn der Edger Karmash überlistet, nimmt dein Ruf bei unseren Leuten keinen Schaden.«
Sebastian sah zu, wie Karmash im Edge verschwand. In seiner Kehle vibrierte ein tiefes, halb unterdrücktes Knurren. »Ich vertraue ihm nicht. Die Sicherheit des Landes oder der Erfolg des Einsatzes kümmern ihn nicht. Er denkt nur an sich.«
Helena warf ihm einen Blick zu. »Er ist einer der Leutnants meines Onkels. Bezweifelst du Spiders Urteil?«
»Nein, Mylady.«
Sebastian neigte den Kopf.
Sie lächelte ihn an. »Das sollst du aber. Ich bezweifle jedermanns Urteil. Meines eingeschlossen. Du musst bedenken, Karmash gehört zur Hand, die die Kolonie schützt, wir sind die Hunde, wir schützen den Thron. Wir verstehen mehr von Pflichterfüllung. Deshalb bin ich hier und vertrete meinen Onkel, bis er in den aktiven Dienst zurückkehren kann. Ich muss die Ehre meiner Familie hochhalten und meine Pflicht für das Reich erfüllen. Ich zähle darauf, dass du mir dabei zur Seite stehst.«
Sebastian verbeugte sich. »Jederzeit, Mylady.«
Sie hatte nicht weniger erwartet. »Komm, wir gehen nach Norden.«
11
Kaldar saß im Starbucks gegenüber dem Eingang des Kaufhauses Sears, trank Kaffee – der leicht verbrannt und bitter schmeckte – und machte sich Gedanken über seine geistige Gesundheit. Oder besser um den Mangel daran.
Audrey hatte recht. Sie peitschten ihren Plan durch. Zehn Tage benötigten sie dazu. Zwei Wochen wären sogar noch besser gewesen. Aber die Hand würde nicht lange auf sich warten lassen. Bei jedem Einsatz gab es den Moment, in dem der Plan kippte und man improvisieren musste. Das war hier genauso. Kaldar war daran gewöhnt, aus dem Bauch heraus zu handeln, meistens war ihm das sogar ganz recht so. Oft fügte sich erst dann wundersam eins zum anderen, wenn er ordentlich unter Druck stand. Aber diesmal arbeitete er nicht allein.
Da waren zum einen die Jungs. Obwohl er Audrey beschwichtigt hatte, bestand die Möglichkeit, dass einer der beiden Mist baute. Klar konnten sich beide ihrer Haut wehren, aber diese Fähigkeit garantierte keine Resultate. Und da war Audrey selbst. Die schöne, süße Audrey. Die ihn ablenkte. Audrey, die sich in sein Hirn einnistete, das sich eigentlich mit anderen Dingen beschäftigen müsste. Zum Beispiel Planung und Berechnung. Dass sie ihrem Vater und Bruder den Rücken gekehrt hatte, verstand er ja noch, nicht aber, dass sie ihre Ausnahmebegabung drangegeben hatte, um sich im Broken mit Ehebrechern und Versicherungsbetrügern herumzuschlagen. Sie liebte ihre Arbeit. In Penas Haus hatte sie jede Sekunde genossen. Ihr Bild, cool, gesammelt und geschmeidig, stand ihm deutlich vor Augen. Mmm .
Audrey, Audrey, Audrey …
Warum hatte sie zu stehlen aufgehört? Wenn es jemals eine Frau gegeben hatte, die zur Fassadenkletterin geboren war, dann sie. Im Weird oder im Broken hätte sie wie eine Königin leben können. Doch irgendwas hatte sie ausgebremst. Die brutale Episode mit dem Drogenhändler hatte ihr zugesetzt. Ihr Gewissen hatte ihr diktiert, ihr Talent einfach dranzugeben. Wieder mal brachte ihn seine Neugier um.
Ehe er sie absetzte, wollte er ihr einen weiteren Kuss rauben, doch sie hatte ihn mit einem Blick angesehen, der ihm die Tür vor der Nase zuschlug.
Nach seiner Erfahrung gab es zwei Sorten Frauen: jene, die zu alt oder bereits vergeben, und jene, die auf ein bisschen Spaß aus waren. Wenn man es richtig anging, konnte man jede Frau herumkriegen. Das hatte nichts mit dem Charakter oder dem Geschlecht zu tun, sondern mit dem grundlegenden Bedürfnis nach Anerkennung und Aufmerksamkeit. Er war ein Gauner. Verführung, ob es nun darum ging, jemanden um sein Geld zu erleichtern, oder eine Frau zu einer Beziehung oder Affäre zu verleiten, war sein Metier. Darin war er Fachmann.
Er wollte Audrey. Er hatte die richtige Mischung aus Schmeichelei und Humor eingesetzt, ihr Komplimente gemacht. Gesagt, was man einer Frau sagte, und die richtigen Knöpfe gedrückt. Trotzdem waren sie seit ihrer ersten Begegnung kein Stück weitergekommen. Noch immer hätte sie ihm am liebsten nicht mal die Uhrzeit verraten. Die eine oder andere Schlacht hatte er erfolgreich geschlagen, meistens aber war er als Verlierer auf der Strecke geblieben. Aber er hatte es satt, ständig zu verlieren. Satt, nur noch sie im Kopf zu haben. Das machte ihn reizbar und
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