Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
schon mal von eurem Erlöser Jesus Christus gehört?«
»Keine Ahnung, gibt’s bei dem was zu futtern?« Jack grinste breit.
»Ja«, nickte der Mann. »Ja, gibt es. Wann habt ihr beide denn zum letzten Mal was gegessen?«
»Hör mal, jetzt mach mal ’nen Abgang«, forderte George ihn auf. »Wir fallen dir ja auch nicht auf die Nerven.«
Der Plakatmann lächelte. »Ich sage euch was. Ich habe heute nicht genug Leute. Wenn ihr beiden die nächsten zwei Stunden für mich Flugblätter verteilt, dann ist für jeden von euch ein Sandwich und eine Flasche Wasser drin. Und Gebäck.«
»Was für Gebäck?«, fragte Jack.
George hielt ihn zurück. Das hatten sie nicht geübt, doch Jack machte trotzdem weiter. »Was müssen wir denn sonst noch dafür tun?« Seine Stimme bekam einen drohenden Unterton. Hey. George wollte es darauf anlegen und ihn richtig fertigmachen.
Der Plakatmann seufzte. »Nichts. Vor allem nichts, was ihr denkt. Keiner wird euch anrühren oder euch zu etwas zwingen, was ihr nicht tun wollt. Ihr werdet lediglich für zwei Stunden ehrliche Arbeit entlohnt. Bei dem Gebäck handelt es sich übrigens um Schokoladenkekse.
George gab vor zu überlegen.
»Ich bin am Verhungern«, sagte Jack.
»Wir verteilen bloß Flugblätter«, sagte George. »Sonst nichts.«
»Sonst nichts.«
»Und wir gehen auch nirgendwo mit dir rein, Alder.«
»Nichts dagegen«, sagte der Plakatmann. »Wir gehen nirgendwo rein.«
George zögerte noch einen Moment. »Und das Sandwich?«
»Schinken oder Truthahn. Das könnt ihr euch aussuchen.«
»Na, komm.« Jack ließ seine Stimme ein wenig kläglich klingen.
»Okay«, sagte George.
»Sie sind drin«, murmelte Audrey. Auf der Straße nahm jeder der beiden einen Stapel Flugblätter an sich. George machte alles richtig: den lustlosen, genervten Blick, das Misstrauen, die Nervosität. George war der geborene Schauspieler, auch Jack schlug sich nicht schlecht.
»Los!«, sagte Kaldar.
Gaston glitt aus dem Auto. Er trug einen zerschlissenen Trenchcoat und einen schmutzigen Panamahut, der sein Gesicht und einen Großteil seiner Haare verbarg, die Kaldar mit weißem Pulver bestäubt hatte. Gesicht und Hände waren, zumindest soweit man sie erkennen konnte, mit einer von Kaldars Pflanzenfarben braun gefärbt. Während sie ihn beobachteten, zog Gaston ein Glasfläschchen aus dem Ärmel und bespritzte den Mantel mit einer Flüssigkeit.
Sie sah Kaldar an.
»Katzenpisse.«
Puh . Katzenpisse stank zum Himmel. So würde sich niemand Gaston weiter als zwei Meter nähern.
Der ganze Aufwand bloß, um eine Einladung zu der Auktion jenes Mannes zu ergattern, der die Armbänder gekauft hatte. Und wenn man dann noch bedachte, dass Audrey die dämlichen Dinger noch letzte Woche in der Hand gehabt hatte. Sie hätte diesen Job niemals annehmen dürfen. Aber wie sehr sie es auch bereute, sie musste damit leben. Reue hatte noch nie jemandem gutgetan. Sie würde tun, was sie konnte, denn sie war klug, verstand sich auf das, was sie tat. Und sie hatte Kaldar, den womöglich besten Schwindler, dem sie jemals begegnet war.
Das Glasfläschchen verschwand im Ärmel von Kaldars Neffen. Gaston ließ sich gegen die Mauer in einer Ecke des Parkplatzes plumpsen und glitt daran hinunter. Er sah aus wie ein alter spanischstämmiger Obdachloser.
»Gute Arbeit«, sagte sie anerkennend.
»Eine der ersten Lektionen, die der Spiegel seinen Agenten beibringt«, erklärte Kaldar. »Am besten versteckt man sich immer in aller Öffentlichkeit.«
Wenn den Jungs irgendwas zustieß, würde Gaston sie da rausholen. Wodurch sie sich jedoch kein Stück besser fühlte. Ihr gesamter Plan bestand aus Kaugummi und Heftpflaster und jeder Menge Glück. Als sie das Kaldar sagte, grinste der nur und meinte: »Vertrauen Sie mir.« Als ob das irgendwas besser machte. Sie stritt sich mit ihm, bis Kaldar eine Abstimmung vorschlug. Sämtliche Männer ihres Teams stimmten gegen sie. Also alle. Es kam ihr so vor, als würden sich selbst der Flugdrache und die Katze gegen sie wenden, wenn sie gewusst hätten, worum es ging. Sie war von Idioten mit zu viel Testosteron umgeben, und es gab nichts, das sie dagegen tun konnte.
»Warum gucken Sie so sauer?«, fragte er. »Machen Sie sich immer noch Sorgen wegen den Jungs?«
»Sie wissen, sie müssen noch mindestens eine Woche ausharren.« Sie fädelte sich in den Verkehr ein und steuerte das nächste Einkaufszentrum an. »Wir gehen viel zu schnell vor.«
»Uns bleibt nichts anderes
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