Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
übrig. Die Hand wird nicht ewig ihre Zeit verplempern.«
Audrey schüttelte den Kopf. Alles ging viel zu schnell. Sie hatten Geld, klar, aber man konnte nicht alles damit regeln.
Sie hatten 187 Dollar aus Arturo Penas Tresor gestohlen, dazu einen Stapel Landkarten. Darin waren die Routen des Menschenschmugglers verzeichnet, die Kaldar, säuberlich verschnürt, auf der Türschwelle eines Freundes von Freunden abgelegt hatte, dessen Geschäftswagen Regierungskennzeichen hatte. Selbst wenn es Arturo Pena gelang, wieder auf die Beine zu kommen, würde er niemals den Respekt seiner Leute zurückgewinnen. Sie hatten ihm gründlich die Geschäfte vermasselt. Das war das Mindeste, das er verdiente. Nun würden sie sein Blutgeld ausgeben.
»Wie lange werden Sie im Einkaufszentrum brauchen?«, fragte Kaldar.
»Mindestens vier Stunden.«
Er zwinkerte.
»Maniküre, Pediküre, Enthaaren, Friseur, Make-up, Kleider, Schmuck. Sie können von Glück sagen, wenn ich bis drei da wieder raus bin.«
»Da bin ich aber froh«, sagte er. »Kaufen Sie bloß nichts Geschmackvolles.«
»Klappe. Glauben Sie etwa, ich mache das zum ersten Mal?«
Der Summer an der Gegensprechanlage auf Kaleb Greens Schreibtisch meldete sich mit silbrigem Klingelton. Kaleb Green schlug die Augen auf, in seinem Kopf wummerten die ersten Anzeichen einer spektakulären Migräne. Er hätte die Pillen schlucken können, die ihn für den Rest des Tages in einen Zombie verwandelten, aber unglücklicherweise musste er helle und auf dem Posten bleiben.
Heute sollte der Bosley-Deal über die Bühne gehen, der ihm, falls die Würfel zu seinen Gunsten fielen, einen Reingewinn von einer Viertelmillion Dollar in Weird-Gold einbringen würde. Persönlich sah er keinen Grund, irgendwen im Weird mit AK -47-Sturmgewehren auszurüsten. Jeder Blaublütige, der einen anständigen Blitz schleudern konnte, würde die Kugeln mit Leichtigkeit abwehren und die Schützen zu Sushi zerkleinern. Doch der Räuberbaron wollte die Waffen, und Kaleb würde sie ihm liefern und den Geschäftsabschluss schon irgendwie durchstehen. Trotz drei Exedrin und vier Advils ließen die Kopfschmerzen nicht nach, also hatte er sich in sein privates Arbeitszimmer zurückgezogen und seine Sekretärin angewiesen, niemanden vorzulassen.
Wieder klingelte die Gegensprechanlage. Er dachte kurz daran, das Ding gegen die Wand zu schmeißen. Doch dann siegte seine Neugier. Vielleicht wartete am Ende ja das Geschäft des Jahrhunderts. Kaleb streckte die Hand aus und drückte die Taste. Er hörte Tamicas Stimme: »Mr Green?«
Kaleb setzte sich auf. Seine Sekretärin arbeitete bereits seit sechs Jahren für ihn. Und sie duzten sich. Die Anrede Mr Green verhieß einen Klienten oder Ärger. In Anbetracht des Umstands, dass sie sich im Edge-Teil des Gebäudes befanden, wohl eher Letzteres.
»Ja?«
Tamicas Stimme zitterte leicht. »Sie haben Besuch.«
Er nahm einen Colt .45 aus der Schreibtischschublade und ließ sich von seiner Magie in einen blassgrünen Schutzschirm hüllen. Er schleuderte keine kräftigen Blitze, aber gegen einen Kugelhagel wäre er auf diese Weise gewappnet.
»Kann der Besuch warten?«
»Nein, Sir. Die Herrschaften wollen Sie sofort sprechen.«
Sie hatte auf das Codewort verzichtet, sonst wäre er schon zur Hintertür raus und über alle Berge.
»Schön, schicken Sie sie rein.«
Die Tür ging auf, und eine Blaublütige trat ein, ihr Umhang flatterte ihr nach. Groß, fantastisch aussehend, geschmeidig wie eine Katze, Haare wie goldene Seide und strahlende Augen von einem derart intensiven Grün, dass ihm die Spucke wegblieb. Ein kleiner, muskulöser Kerl, der aussah, als könnte er ein Auto stemmen, folgte zu ihrer Linken. Sein dunkles Haar war kurz geschoren, und um seinen Hals wand sich, wie eine Schlange, eine lange Reihe symbolischer Tätowierungen, setzte sich über die entblößten Arme fort und verschwand schließlich unter seiner Kleidung. Seine Finger endeten in langen, schwarzen Krallen.
Rechts überragte ein Riese von Mann, bleich wie ein Albino, die Blaublütige. Ihm stand eine schlanke, dunkelhaarige Frau mit hellgrauen Augen zur Seite, deren Haut die Farbe von Apfelsinenschalen hatte. Dann trat ein Glatzkopf vor, der einen Arm um Tamicas Taille, den anderen um ihren Hals geschlungen hatte und sie horizontal vor sich hertrug, als sei sie gewichtslos. Tamicas Haselnussaugen starrten Kaleb in stummer Panik an.
Der dachte zum ersten Mal im Leben ernsthaft ans Beten.
Die
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