Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
macht Landen richtig Spaß.«
Jack hockte auf einem Schrankkoffer und bleckte die Zähne. »Das sagt er nur, weil er kein Mensch ist.«
Gaston lachte.
Audrey gab sich Mühe, sonst wohin zu schauen, bloß nicht auf die rapide näher kommenden Bäume. »Kein Mensch?«
»Seine Großmutter hat es mit einem Thoas getrieben«, teilte Jack ihr mit.
»Na, vielen Dank, Jack.« Gaston schüttelte seine Faust. »Du bist mir eine so große Hilfe.«
»Gern geschehen«, erklärte Jack bündig.
»Ich hab nur komische Zähne und leuchtende Augen, während du dich in einen Luchs verwandelst, herumrennst und deine Soße ins Gebüsch spritzt. Ausgerechnet du sagst, ich sei nicht menschlich, das ist schon ein starkes Stück.«
George räusperte sich.
Gaston sah ihn an. »Was?«
George deutete mit einem Nicken auf Audrey.
»Was denn?«
George seufzte schwer. »Hier ist eine Dame anwesend.«
»Das ist mir bewusst. Ich bin ja nicht blind.«
»Was er meint, ist, dass du die unanständigen Ausdrücke lassen sollst«, sagte Kaldar, der gerade nach vorne kam. Er blieb zwischen den beiden Sitzen stehen und stützte sich mit den Armen auf die Rückenlehnen. »Wie sieht’s aus?«
»Gut sieht’s aus«, antwortete Gaston. »Wir haben’s geschafft.«
»Dann soll er jetzt landen.«
Gaston neigte sich über ein kompliziertes, glänzendes Sortiment Hebel und Knöpfe und legte mehrere Schalter um.
»Und woher weiß der Drache, was Sie von ihm wollen?«, erkundigte sich Audrey.
»Weil er an seinen Funkendrüsen unterm Kinn einen Empfänger trägt«, erklärte Kaldar ihr. »Wenn Gaston die Magiefrequenz der Konsole einstellt, übermittelt der Empfänger den Drüsen das neue Signal. Der Drache ist darauf trainiert, bestimmte Befehle zu erkennen.«
»Wie ein Hund«, teilte Gaston ihr mit. »Er kennt Sitz und Platz . Allerdings benötigt er für Sitz fünf Minuten.«
»Wieso?«, fragte Audrey.
»Weil er riesengroß ist«, antwortete Kaldar. »Deshalb muss vor der Landung alles genau passen: Neigungswinkel, Geschwindigkeit, Wind und so weiter.«
»Was, wenn er auf die Idee kommt, dass Sitz bedeutet, sich in der Luft auf den Rücken zu drehen?«, fragte sie.
Kaldar beugte sich tiefer über sie. »Dann sterben wir alle einen schrecklichen Tod.«
Na super. Audrey krallte die Finger in die Sitzfläche und hoffte, dass der Flugdrache nicht vom Himmel fiel.
»Angst vorm Fliegen?«, fragte Kaldar.
»Nein, ich habe bloß Angst, in den Tod zu stürzen.«
»Ich könnte Sie halten, wenn Sie sich dann besser fühlen.«
»Träumen Sie weiter …«
Der Drache setzte zum Sturzflug an. Audrey schnappte nach Luft. Der Boden raste auf sie zu, als säße sie im Führerhaus eines mit Höchstgeschwindigkeit dahinrasenden Zuges.
Audrey bohrte ihre Fingernägel ins Sitzkissen.
Die Bäume sprangen ihr entgegen. Die Kanzel ruckte, die Drachenklauen gruben sich schlitternd ins Erdreich. Das Riesenreptil schlingerte und kam zum Stehen.
Kaldar beugte sich zu ihrem Ohr hinunter. »Sie können jetzt wieder Luft holen, Quasselstrippe.«
Quasselstrippe ? »Dazu brauche ich Ihre Erlaubnis nicht. Herzlichen Dank.«
»Gern geschehen.«
Argh .
»Spitzenlandung«, wandte sich Kaldar an Gaston. »Deine bisher beste.«
Gaston grinste.
Wenn das die beste gewesen sein soll, möchte ich nicht wissen, wie um alles in der Welt sich die schlechteste anfühlen würde .
»Los jetzt!«, rief Kaldar. »Wir müssen ein Lager aufschlagen. Der Himmel ist klar, also werden wir heute Nacht unter freiem Himmel schlafen. Audrey kriegt die Kanzel.«
»Schon gut«, teilte sie ihm mit. »Ich komme klar und kann genauso gut draußen schlafen.«
Vier Augenpaare sahen sie mit typisch männlicher Skepsis an.
»Es gehört sich so, dass Sie die Kanzel kriegen«, sagte George.
»Sie sind die einzige Dame hier«, fügte Jack hinzu.
»So ist es«, warf Gaston ein.
»Damit wäre das geklärt.« Kaldar wies auf die Kanzel. »Decken, Kissen, Schlafsäcke. Sobald wir so weit sind, Jack, besorgst du was zu essen für uns, und George, du teilst die Wachen ein. Also los.«
Eine Viertelstunde später lagen die Schlafsäcke neben dem Drachen auf der Erde. Audrey hatte sich Drachen immer als schnell und beweglich vorgestellt. Doch wie er da so im Gras lag, wirkte der Flugdrache kaum mehr lebendig, sondern wie ein aus blauem Stein gehauener Monolith mit einem Überzug aus grünem Moos auf dem Rücken.
Kaldar nahm eine wenige Zentimeter große Bronzeschachtel aus einem der Koffer und
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