Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
diesen Punkt für sich entscheiden.
Kaldars Hand schloss sich um das Gewehr. »Sie vergeuden Ihre Munition. Das ist eine Blaublütige. Sie kann mit ihrem Schutzschirm eine Panzergranate aufhalten.«
Audrey ließ das Gewehr los. Sie wurde von einer solchen Wut erfasst, dass sie schreien musste, wenn sie nicht explodieren wollte. Die Magie der Hand, die sich immer noch unter ihre Haut grub, stachelte ihren Zorn an. »Was ist das für ein kranker Scheißkerl, der mit abgetrennten Köpfen um sich schmeißt? Wer zur Hölle sind diese Typen?«
»So ist die Hand eben.« Kaldar zuckte die Achseln.
»Und Sie? Sie scheint das alles ja nicht zu überraschen!«
Da schob sich, Schulter voran, ein Mann in die Kabine, dessen Haare ihm wie ein glänzender schwarzer Vorhang in die Stirn hingen. Der Mann ließ sich im Winkel neben Jack und George nieder, erst da erkannte sie sein Gesicht: kräftiges Kinn, ausgeprägte Züge, leicht schräg stehende, silbrig graue Augen. Muskulös wie er war, hätte er einen Bären niederringen können, seine Augen indes wirkten jung. Er mochte kaum mehr als zwanzig sein. Der Mann lächelte und zeigte seine zugespitzten Zähne. »Das dürfte wohl hinhauen.«
Ein kleiner, separater Teil von Audrey erkannte, dass sie eigentlich schockiert sein müsste, aber im Moment ging es ihr mehr um Kaldar.
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich früher schon mal mit der Hand zu tun hatte«, sagte Kaldar.
»Nein, da ist noch etwas anderes. Als hätten Sie gewusst, dass die auftauchen würden. Sie haben sogar die Jungs aufpassen lassen.« Sie wies auf die Stelle, an der Jack und George saßen. Dann kam ihr ein neuer Gedanke. »Sie haben die Jungs aufpassen lassen!«
»Ich glaube, das hatten wir schon«, gab Kaldar zurück.
»Sie wussten, dass die Hand im Anmarsch war, die Hand, die Menschen tötet und ihre Freunde mit ihren Köpfen bewirft, und Sie schicken Kinder als Wachposten in die Höhle des Löwen?«
»Hm.« Kaldar ging einen kleinen Schritt zurück.
»Sind Sie wahnsinnig? Hat Ihre Mutter Sie als Baby auf den Kopf fallen lassen? Was denken Sie sich eigentlich?«
»Ich denke, das ist eine sehr vernünftige Frage«, sagte der Schwarzhaarige. »Was hast du dir dabei gedacht, Onkel?«
Kaldar deutete auf ihn. »Du hältst dich da raus.«
»Und was, wenn die Jungs keine Gelegenheit zur Flucht gehabt hätten? Die blonde Schlampe hätte sie in kleine, mundgerechte Stücke geschnitten, und statt Gnoms Kopf hätten wir jetzt ihre Köpfe an Bord.« Audrey schauderte. »Ich kann ihre Magie spüren. Sie kriecht mir über den ganzen Körper. Es fühlt sich an, als hätte mich jemand mit Feuerzeugbenzin übergossen und angezündet.«
Kaldar trat auf sie zu. »Die Hand löst eine allergische Reaktion aus. Wenn Sie stillhalten …«
»Ich will aber nicht stillhalten!«, schnauzte sie. »Fassen Sie mich nicht an!«
Kaldar wich mit erhobenen Händen zurück. »Das geht vorbei, Audrey. Das kriegt jeder beim ersten Mal. Da müssen Sie durch.«
»Woher wussten Sie, dass die Hand kommen würde?«
»Ich wusste es nicht«, entgegnete Kaldar. »Ich habe es vermutet.«
Oh, bitte . »Ich glaube Ihnen nicht. Sie lügen, wenn Sie den Mund aufmachen.«
»Nein, tue ich nicht.«
»Na, irgendwie schon«, murmelte George.
Sie deutete auf den Jungen. »Sehen Sie!«
Kaldar grummelte in sich hinein. »Jetzt hören Sie mir mal zu. Die Hand folgt derselben Fährte wie ich. Daran liegt’s. Ihren Vater können wir nicht finden, bleiben als mögliche Ziele noch Sie oder Ihr Bruder. Ich hätte nur verhindern können, dass die Hand Sie findet, wenn ich Ihren Bruder getötet hätte. Hätte ich natürlich machen können, habe ich aber nicht, sondern ihm lediglich ein paar Drogen zugesteckt.«
»Sie haben einem Süchtigen auf Entzug Drogen gegeben und wollen, dass ich Ihnen dafür auch noch dankbar bin?«
»Wenn Sie es so ausdrücken, hört sich das natürlich mies an.«
»So was hört sich immer mies an, ganz egal, wie man’s ausdrückt. Ich kenne Alex. Die Drogen haben sein Gehirn gegrillt, und nun meint er, dass ihm die ganze Welt etwas schuldig ist. Er hätte versucht, mit der Hand ins Geschäft zu kommen.« Sie hielt inne. »Mein Bruder ist tot, nicht wahr?«
»Ja«, antwortete Kaldar.
Zwei Menschen waren ermordet worden, weil sie nicht die Kraft gehabt hatte, Nein zu ihrem Vater zu sagen. Alex hatte es verdient. Gnom jedoch war nur ein Nachbar. Er konnte manchmal gemein sein, und er war ein grantiger Dreckskerl, doch er
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