Land der Sehnsucht (German Edition)
früher in einem faszinierenden Smaragdgrün geleuchtet hatte, waren inzwischen verblasst und von Staubschichten überzogen. Viele Frauen hatten ihr Komplimente für den Stil ihrer Kleider gemacht. Je weiter sie in den Westen kamen, umso häufiger hatte sie diese Komplimente gehört. Die Frauen hier hatten auch Bemerkungen über ihren Federhut, der mit einer Schleife und einer Straußenfeder geschmückt war, gemacht. Er saß modisch schief über einer Seite ihrer Stirn. Einige behaupteten, sie hätten noch nie eine so elegante Mode gesehen.
Aber die einzige Reaktion, die sie vom anderen Geschlecht erntete, waren ausgiebige Blicke. Obwohl in diesem neuen Land vieles anders war als in Frankreich, änderten sich manche Dinge anscheinend nie.
Mit einem Kopfnicken bedankte sie sich bei den umstehenden Männern, da sie nicht unhöflich erscheinen, sie aber auch nicht zu weiteren Avancen ermutigen wollte. Mit einer geübten schwungvollen Bewegung öffnete sie ihren Sonnenschirm und strich dann mit der Hand leicht über den Staub, der an ihrem Rock hing, leider jedoch mit nur geringem Erfolg. Der Rock und die Jacke waren zweifellos ruiniert.
„Machen Sie sich keine Sorgen um das Kleid, Miss.“ Monsieur Colby warf den anderen Männern einen Blick zu, der ihnen klarmachte, dass sie Véronique in Ruhe lassen sollten. Diesen Blick hatte er während ihrer gemeinsamen Reise schon eingeübt. Dann führte er sie über die Straße zu einem dreistöckigen Gebäude mit dem Namen Baird & Smith Hotel. Seine Hand lag unter ihrem Ellenbogen. „Hier in der Stadt gibt es eine Frau, die für andere die Wäsche macht. Sie schrubbt immer den ganzen Dreck aus meinen Sachen. Sie kann Ihre modernen Klamotten wieder sauber und frisch wie den Frühling machen. Das garantiere ich Ihnen.“
Véronique trat lächelnd die Stufen zum Gehweg hinauf. „Danke sehr, Mr Colby“, erwiderte sie und sah im Geiste vor sich, wie die erwähnte Waschfrau ihre empfindliche Kleidung in einen schmutzigen Waschzuber tauchte und den ganzen Dreck aus ihren Klamotten „herausschrubbte“, wie er es formuliert hatte.
Mit seinen silbergrauen Haaren und seinem Vollbart war Bertram Colby auf ungezähmte Art ein beeindruckend aussehender Mann, dem dieses wilde Leben nicht fremd war. Obwohl er von den kultivierten Männern, die sie von zu Hause kannte, weit entfernt war, war Monsieur Colbys Höflichkeit vorbildlich. Sie schätzte ihn auf ungefähr sechzig, war sich aber nicht ganz sicher. Die tiefen Falten in seinem gebräunten Gesicht waren ein stummer Zeuge für die unzähligen Meilen, die er als „Treckführer“, wie er sich selbst nannte, in diesem von der Sonne ausgedörrten Land zurückgelegt hatte. Und eines war unbestritten: Monsieur Colby war der freundlichste Mann, den sie je getroffen hatte. Er sah fast immer so aus, als warte er nur auf einen Grund zu lächeln.
Er deutete mit dem Kopf zum Hotel. „Gehen Sie hinein und lassen Sie sich ein Zimmer geben. Ich kümmere mich um Ihr Gepäck.“ Während er die Stufen vom Gehweg auf die Straße hinabstieg – kein Kopfsteinpflaster war weit und breit zu sehen, stellte sie fest –, rief er ihr über die Schulter zu: „Sie können auspacken und sich ausruhen. Ich hole Sie später ab und wir gehen zu einem guten Essen in Myrtle’s Restaurant.“
Sie bedankte sich, bezweifelte aber, dass er sie bei dem Lärm auf der Straße hörte. Sie blieb einen Moment stehen und schaute zu, wie er sich durch die Menge bewegte. Als er Männern zunickte und Frauen mit einem Tippen an seinen Hut begrüßte, sah Véronique, dass jede seiner Gesten erwidert wurde. Er hatte eine unvergleichliche Art im Umgang mit Menschen und strahlte eine natürliche Selbstsicherheit aus. Das war eine Eigenschaft, die sie sehr bewunderte und von der sie sich wünschte, sie besäße sie auch in einem größeren Maß. Sie war in den letzten Monaten zurückhaltender geworden, obwohl sie in Paris ein gesundes Selbstvertrauen besessen hatte.
Früher war sie nie jemand gewesen, der sich selbst in Frage stellte, aber jetzt schien sie das täglich zu machen.
Bertram Colby hatte sich in den letzten drei Wochen als zuverlässiger Reisebegleiter erwiesen, auch wenn ihr seine ungezwungene Art gelegentlich zu weit ging. Sie hatte festgestellt, dass diese Amerikaner in ihren Gesprächen weitaus weniger zurückhaltend waren als z. B. die Bürger von Paris. Monsieur Colby liebte es, viel zu reden. Aber als Neuankömmling in diesem Land fand sie seine
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