Land der Sehnsucht (German Edition)
ihre Eltern und sie als Familie.
Sie hatte auf den Schultern ihres Vaters gesessen. Ihre Mutter hatte nahe neben ihm gestanden und zu ihr hinaufgelächelt. Festlicher Schmuck und Musik umgaben sie und der Geruch von frisch gebackenem Brot und Würstchen lockte. Sie hatte etwas in der Hand, ein halb gegessenes Croissant vielleicht. Die Erinnerung an Trompetenklänge und Jubel verschönerten die Bilder, ebenso wie die Erinnerung an uniformierte Soldaten, die auf riesigen Pferden an ihr vorbeiritten. Eine Parade auf den Straßen von Paris wahrscheinlich. Aber sie wusste nicht genau zu welchem Anlass.
Ihr Vater hatte Pferde geliebt. Er war zwar zu arm gewesen, um eigene Percheronpferde zu halten, aber er hatte oft Arbeiten in Ställen übernommen und sie gepflegt und trainiert. So hatte ihre Mutter es ihr später erzählt.
Véronique schlug die Augen auf und merkte erst jetzt, dass sie sie vorübergehend geschlossen hatte. Sie konzentrierte sich auf die Pferde, die an den Wagen gespannt waren, während ihr die Erinnerungen sehr lebhaft und deutlich vor Augen standen. Besonders ein Gedanke drängte sich ihr auf, und sie fragte sich, warum ihr das nicht schon früher aufgefallen war.
Als sie jung gewesen war, hatte ihre Mutter ständig von ihrem Vater gesprochen und ihr erzählt, was sie alles zu dritt unternommen hatten. Véronique konnte sich nicht daran erinnern, wann das aufgehört hatte. Und warum.
Aber es hatte aufgehört, und wenn ihr Gedächtnis sie nicht trog, ziemlich abrupt.
Sie schüttelte den Kopf, um die Spinnweben aus ihren Gedanken zu vertreiben, und bemerkte Monsieur Brennan neben dem Wagen. Er sicherte Kisten und Kartons mit Seilen und einem Netz, das er über die Ladefläche des Wagens spannte. Jake Sampson half ihm von der anderen Seite.
Wo hatte Monsieur Brennan diese Pferde gefunden? Vorausgesetzt, er hatte sie bewusst ausgewählt. Wusste er, dass sie ursprünglich aus Frankreich kamen? Wenn nicht, könnte sie ihm die Geschichte dieser Tiere erzählen.
Véronique wusste genau, in welchem Moment Monsieur Jack Brennan sie erblickte.
Er hielt in seiner Arbeit abrupt inne und sah sie mit leicht gesenktem Kinn von Kopf bis Fuß an.
Sie konnte im blassen Licht sein Gesicht nicht genau erkennen, aber seine unerwartete Aufmerksamkeit ließ sie erröten. Sie freute sich, dass ihm ihr Aussehen anscheinend angenehm auffiel.
„Bonjour, messieurs.“ Mit der Tasche in den Armen wagte sie es nicht, einen Knicks zu machen. Sie lud die Tasche dankbar neben dem Wagen ab.
Jake Sampson stieß einen leisen Pfiff aus und strich sich kräftig über den Bart. „Sie sind wirklich das Hübscheste, was ich heute gesehen habe! Mit einem schöneren Anblick könnte man die Woche nicht beginnen, Madam.“ Er zog die Stirn in Falten. „Wenn es Sie nicht stört, dass ich das sage.“
„Merci beaucoup, Monsieur Sampson.“ Sie lächelte und freute sich über seine Reaktion. Aber der finstere Blick, den Jack Brennan dem Mann zuwarf, bevor er sie mit einem strengen Blick bedachte, verunsicherte sie.
„Guten Morgen, Mademoiselle Girard.“ Zum ersten Mal erreichte Jack Brennans Lächeln nicht seine Augen. „Sind Sie bereit für unsere heutige Fahrt?“
Sein freundlicher Tonfall strafte seine ernste Miene Lügen. Unter seiner einfachen Frage lag eine versteckte Botschaft, aber ihre Bedeutung blieb ihr verborgen. „Oui, und ich freue mich schon sehr darauf. Sie nicht auch, Monsieur Brennan?“
Wortlos ging er wieder daran, seine Waren zu sichern.
Durch sein Verhalten verwirrt, beschloss Véronique, es mit einer anderen Taktik zu versuchen. „Haben Sie sich die Pferde selbst gekauft, Monsieur Brennan? Vielleicht ist es Ihnen nicht bewusst, aber das sind Perch…“
„Ich habe Sie gebeten, bei Tagesanbruch startklar zu sein, Mademoiselle.“ Er schaute zum Himmel hinauf. „Es ist Tagesanbruch.“ Dann sah er sie wieder an. „Aber Sie sind nicht startklar.“
Véronique starrte ihn an und wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie kam sich vor, als spräche sie mit einem anderen Mann und nicht mit dem Jack Brennan, den sie kennengelernt und mit dem sie diese Fahrt geplant hatte. Vielleicht war er noch verärgert darüber, dass sie ihm den Wagen vor der Nase weggeschnappt hatte oder dass ihm in ihrer Anwesenheit seine Stelle gekündigt worden war. Vielleicht brodelte das in ihm. Christophe hatte einen ähnlichen Gesichtsausdruck, wenn seine Pläne durchkreuzt wurden. Aber sie wollte sich davon nicht
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