Land der Sehnsucht (German Edition)
verunsichern oder sich von Jack Brennans schlechter Laune den Tag verderben lassen.
„Oui, es ist Tagesanbruch, Monsieur Brennan, und … voilà! Ich bin hier, wie Sie sehen können. Und ich bin pünktlich, wie versprochen.“ Und das, obwohl sie ihr Gepäck selbst hatte tragen müssen!
Jack Brennan arbeitete wortlos weiter und zog kräftig an dem Seil in seiner Hand.
Véronique sah Jake Sampson hilfesuchend an, aber auch er sagte nichts. Sie hatte so große Hoffnung auf diesen Tag gesetzt. Warum verdarb Jack Brennan ihr jetzt alles mit seiner schlechten Laune?
Sie deutete auf ihre Tasche. „Hier ist mein Gepäck, Monsieur Brennan. Wären Sie so freundlich, es für mich aufzuladen?“
„Warum?“ Er drehte sich nicht um. „Sie fahren nicht mit.“
Ihre Wut war schlagartig entfacht. Sie trat näher. „Excusez-moi? Warum fahre ich nicht mit?“ Sie wartete darauf, dass er sich zu ihr umdrehte.
Er drehte sich nicht um.
Wenn ein Dienstbote in Paris so zu ihr gesprochen und sie so behandelt hätte, hätte Monsieur Marchand ihm umgehend gekündigt. Aber unter den gegebenen Umständen konnte sie sich diesen Luxus nicht leisten. „Ich kenne nicht den Grund für Ihr Verhalten, Monsieur Brennan. Sie sind äußerst …“ Wie war das Wort? Sie dachte an das Wörterbuch in ihrem Handtäschchen. Ihre Brauen zogen sich konzentriert nach oben. „Begriffsstutzig!“
Er schnaubte und schüttelte den Kopf. „Wenn ich begriffsstutzig bin, Madam, dann sind Sie …“ Sein Blick wanderte von ihrem Kopf zu ihren Füßen und dann wieder langsam nach oben. „… lächerlich.“
Véroniques Kinnlade fiel nach unten.
„Mademoiselle Girard, ich habe Sie am Samstag ausdrücklich gebeten, etwas anzuziehen, das für den Ort, an den wir fahren, passend ist. Und Sie haben das dafür ausgesucht?“
Véronique legte sofort eine Hand auf ihr Mieder und drückte sich die feine Spitzenborte des Ausschnitts an die Brust. Ihr Gesicht brannte vor Beschämung. Dann fiel ihr ein, dass es nichts gab, dessen sie sich schämen musste. Die Spitzen, die sie gewählt hatte, waren sehr fein gewebt. „Mein Kleid ist vollkommen züchtig, Monsieur Brennan. Sie haben kein Recht …“
Er trat bis auf wenige Zentimeter an sie heran. „Ich sage nichts dazu, ob Ihr Kleid züchtig ist, Mademoiselle Girard – er senkte für einen kurzen Moment den Blick –, obwohl man über diesen Begriff streiten könnte.“
Bei ihrem Größenunterschied musste sie den Kopf zurücklegen, um ihm in die Augen blicken zu können. Sie ließ ihre Hand fest über den Spitzen liegen, da sie plötzlich das Gefühl hatte, sie wären um die Hälfte geschrumpft. „Mein Kleid ist züchtig, Sir. Es entspricht den Gepflogenheiten der feinen Gesellschaft, was eine Dame mit Anstand tragen kann.“
Er nickte. „Darin gebe ich Ihnen voll und ganz recht. Aber wir fahren zu keiner gesellschaftlichen Veranstaltung, Madam. Dort, wo wir hinfahren, wird Ihr Kleid Aufmerksamkeit erregen, die sehr unerwünscht ist. Und deshalb ist das, was Sie zu diesem speziellen Anlass tragen … meiner Meinung nach unzüchtig. Diese Bergarbeiterstädte …“ Er stieß ein kurzes, scharfes Lachen aus und murmelte dann etwas, das sie nicht verstehen konnte. „Aber darüber haben wir ja schon gesprochen …“ Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
Als er sie wieder ansah, erschrak sie über die Härte in seinem Blick.
„Die Männer in diesen Städten haben seit Monaten keine richtige Dame mehr gesehen, Madam. Und ich bin überhaupt nicht erpicht auf ihre Reaktion, wenn sie plötzlich eine Frau wie Sie in ihrer Mitte haben. Muss ich noch deutlicher werden, Mademoiselle? Das möchte ich wirklich nicht, aber ich werde es tun, wenn es Ihnen hilft, die Situation zu verstehen.“
Véroniques Abwehrhaltung verschwand angesichts seiner offensichtlichen Besorgnis. Sie senkte langsam die Hand. Sie gab ihm zwar nicht vollkommen recht, aber dank dem, was sie von Christophe gelernt hatte, räumte sie ein, dass Jack Brennan wahrscheinlich besser über solche Dinge Bescheid wusste als sie. Doch ihr Problem war deshalb noch nicht gelöst. „Alle Kleider, die ich besitze, sind …“ Sie sah nach unten. „… ähnlich wie dieses Kleid. Sie haben nur unterschiedliche Farben.“
Ein leises Lachen ertönte von der anderen Seite des Wagens her und sie drehten sich beide um.
Jake Sampson grinste sie breit an. „Ich glaube, eine andere Farbe wird Ihnen nicht weiterhelfen, Miss.“ Er schmunzelte. „Geben
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