Land meiner Träume collin1
Alles an ihrer Erscheinung war durchschnittlich. In einer Menschenmenge hätte sie keinen zweiten Blick auf sich gezogen. Ihr Betragen war ruhig und gemächlich und von freundlicher Natur. Meggan mochte sie sofort, und während der langweiligen Tage, die Meggan im Bett verbringen musste, wurde Hannah sowohl Gesellschafterin als auch Krankenschwester. Nach der ersten Woche erlaubte Dr. McDermott Meggan, das Bett zu verlassen, jedoch unter der strengen Auflage, nichts Anstrengenderes zu tun, als in einem Stuhl zu sitzen. Madame Marietta, Frederick und Signor Pirotti kamen zu Besuch. Madame bestand darauf, dass ein Aufguss aus Salbei in Essig, gemischt mit dem gleichen Teil Wasser, zum Gurgeln vorbereitet wurde. Krankenschwester Hannah widersprach. »Mrs. Westoby trinkt regelmäßig Zitronenwasser, um ihre Halsbeschwerden zu lindern. Ich gebe ihr auch mit Honig gesüßte Zitronengetränke.« »Dann können Sie auch das Gurgelmittel machen. Ich befehle es Ihnen. Ich bin die Expertin.« Meggan, die den Schlagabtausch zwischen Krankenschwester und Gesangslehrerin beobachtete, unterdrückte ein Lächeln. Madame würde ihren Willen bekommen. Das Gurgelmittel aus Salbei und Essig, so scheußlich es klang und wahrscheinlich auch schmeckte, wurde Teil ihrer Behandlung. Ob das Gurgelmittel oder die Zitronengetränke wirksamer waren, am Ende der zweiten Woche fühlte sich Meggan fast wieder ganz gesund. Sowohl Dr. McDermott als auch Madame bestanden darauf, dass sie ihren Hals noch mindestens eine Woche schonte, bevor sie den Gesangsunterricht wieder aufnahm. Langeweile lastete schwer auf ihr, nachdem Hannah Rigby sich verabschiedet hatte. Sie spazierte durch den Garten, schrieb einen langen Brief an ihre Eltern und einen zweiten an die Heilbuths, dem sie einen besonderen Brief an die Zwillinge beilegte. Den Brief an ihre Eltern beendete sie mit der Frage, ob sie etwas von ihren Brüdern gehört hätten. David hatte ihr an Bord des Dampfschiffs geschrieben und den Brief gleich bei seiner Ankunft in Melbourne aufgegeben. Meggan bekam ihn, kurz nachdem sie das Bett verlassen durfte. Ein zweiter Brief folgte zwei Tage später. Meggan schrieb zurück, um ihrem Mann zu versichern, dass ihr Zustand Fortschritte machte. Seither hatte sie zwei weitere Briefe erhalten. Alle waren kurz, ermahnten Meggan, sehr gut auf sich aufzupassen, und informierten sie darüber, dass die geschäftlichen Verhandlungen zufriedenstellend verliefen. Jetzt saß Meggan im Salon, um einen beruhigenden Brief an ihren Mann zu schreiben. Mein lieber Mann,
Du wirst Dich freuen zu hören, dass ich wieder ganz gesund
bin. Meine wunderbare Krankenschwester Hannah Rigby hat
sich am letzten Sonntag von mir verabschiedet. Ich folge den
Anweisungen von Dr. McDermott UND MADAME, mich nicht
anzustrengen und jeden Tag mehrere Stunden zu ruhen.
Morgen kann ich die Gesangsstunden wiederaufnehmen. Ich
freue mich sehr darauf, wieder singen zu können. Wenn Du in
zwei Wochen wiederkommst, bin ich wieder ganz die Alte.
Deine Dich liebende Frau
Meggan
Madame begrüßte Meggan im Cottage mit übertriebener Freude, Frederick mit einer Umarmung und einem Kuss auf jede Wange. Meggan wurde angewiesen, ihre Stimme in dieser ersten Stunde nicht zu strapazieren. Wenn in ihrem Hals nur eine leichte Trockenheit oder ein Kratzen zu spüren sei, solle sie Madame sofort informieren. Zu ihrer Freude hatte Meggan keine Beschwerden, obwohl Madame darauf bestand, dass sie häufig mit der Mischung aus Salbei und Essig gurgelte. Und Meggan durfte auch nicht ihren ganzen Stimmumfang ausschöpfen. Als sie nach Hause kam, war sie sehr müde. Sie aß nur ein sehr leichtes Mittagessen und war froh, das Haus am Nachmittag für sich zu haben, denn es war Mrs. Mills’ freier Nachmittag. Dieses eine Mal war sie froh, nichts tun zu müssen und sich ausruhen zu können. Vielleicht war sie doch noch nicht so vollständig wiederhergestellt, wie sie gedacht hatte. Mitten am Nachmittag wachte sie aus einem tiefen Schlaf auf. Eine Weile lag sie auf dem Bett, bis Langeweile sie dazu trieb, etwas – irgendetwas – zu machen, und sie die Treppe hinunterging. Sie war auf halber Treppe, als sie es an der Tür läuten hörte. Sie erwartete keinen Besuch und wollte auch eigentlich niemanden sehen, und so war sie versucht, die Tür einfach nicht aufzumachen. Sie blieb auf der Stufe stehen, die Hand am Geländer, als es ein zweites Mal läutete. Unfähig, es wahrhaftig zu ignorieren, hoffte sie, dass der
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