Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Mezger
Vom Netzwerk:
nicken und wackeln mit dem Kopf und sagen nichts von dem, was sie am Sonntagmorgen sonst so sagen.
    *
    Wir beschließen, dass auch wir in den Hirschen müssen. Auch wir sollten uns da einmal zeigen, sollten uns nicht verschließen, sollten uns nicht verstecken vor den Stumpenrauchern. Wir leben hier, haben unsere Tiere, unsere Stellen, wir arbeiten für die Allgemeinheit. Eine von uns fürs Nachbardorf und für dessen alte Menschen, um die jungen Menschen zu entlasten, einer von uns entlastet den Gemeindeschreiber, ist seine linke Hälfte, obwohl man im Dorf murmelt und raunt und hustet, dass man auf so einen Linken hätte verzichten können. So einen sollte man da nicht reinlassen, wo die Musik spielt. Aber die wahre Musik spielt nicht im Gemeindehaus und schon gar nicht auf dem halben Gemeindeschreiberplatz, die Musik spielt donnerstags abends auf, im Hirschen, immer nach der Feuerwehrübung, oder am Dienstag nach dem Turnverein oder am Montag, Mittwoch, Freitag und Samstag während des Feierabendbiers. Der, der hier das Sagen hat, ist keiner, der Reden schwingt, er sitzt still da und wird von allen respektiert, warum weiß keiner, aber Recht bekommt er immer. Immer kommt alles, wie er gewollt hat, und keiner weiß, wie es dazu kam. Unser Gemeindeschreiberstellenteiler kennt den Mann gut, es ist der Förster, und der tut, als fände die Politik nicht im Hirschen statt, aber auch nicht im Gemeindehaus, als gäbe es überhaupt keine Politik, höchstens die, die von allen propagiert wird und »Wir haben es schon immer so gemacht« heißt.
    Die Musik spielt auf. Es ist Freitag, und heute spielt nicht die Jukebox, sondern ein Volksmusiktrio, das sich in einer Ecke aufgestellt hat, die Älteren von uns öffnen die Tür zum Hirschen, während die Jüngeren von uns zu Hause auf sich selbst aufpassen müssen. Wir setzen uns an einen der Tische, die Musik verstummt nicht, nur ein paar Blicke schwenken herüber, wir bestellen ein Bier und einen Apfelsaft, spielen Dorfkneipe, auch wenn das bei uns aussieht, als spielten wir Jazzlokal.
    Wir spielen Dorfkneipe. Das Bier kommt, der Apfelsaft auch, wir sitzen an unserem Tisch und merken, dass wir bereits den ersten Fehler gemacht haben: Wir sitzen da allein, und es gibt keinen Anlass, das zu ändern. Zu den Kartenklopfern werden wir nicht herbeigewunken. Zu den anderen verstreuten Biertrinkern können wir auch nicht, denn die stieren bloß in ihre Biere oder zu uns herüber. Also nippen wir an unserem Getränk, hören als Einzige der Musik zu. Der Hirschen ist nicht besonders voll, im kleinen Dorf hat nicht jeder Zeit zum Trinken. Wir leeren unsere Getränke, und die eine von uns will jetzt wieder gehen, während der andere von uns das feige findet. Der Mutige will bleiben, will sich nicht verstecken, will dazugehören, will auch ein Fingerchen mitzuklopfen haben, wenn am Stammtisch Fäuste auf die Tischplatte knallen. »Es sind ja alle freundlich«, sagt er. Und die Nicht-so-Mutige sagt, dass ihr trotzdem langweilig werde. Sie sehe den Sinn nicht, hier herumzusitzen, und das Trio mache ja auch schon Pause, und so, wie die da hinten säßen und rauchten, werde das bestimmt eine lange Pause. Der, der bleiben will, hat keine Argumente mehr, will aber dennoch bleiben, nur allein will er nicht sein, die, die gehen will, hat ihm das längst vorgeschlagen. Dann endlich entdeckt der Bleibewillige hinten in der Ecke, halb verdeckt von zwei anderen Dörflern, den Gemeindemann. Den kennt er, mit dem könnte man sich unterhalten. Er sagt, er unterhalte sich jetzt mal mit dem, bestellt nochmals dasselbe, steht auf und geht durch den Raum auf den Gemeindemanntisch zu.
    Das Kneipenspiel ist kompliziert, wir beherrschen die Regeln nicht. Über Tierhaltung und Heunetze, da gibt es Bücher, Sensen sind selbsterklärend und Heckenpflege ist keine Kunst. Im Hirschen zu punkten ist schwerer, erste Abzüge erhält man für »Darf ich mich setzen?«, das fragt keiner, das macht man einfach, weil man einfach dazugehört. Wenn man nicht dazugehört, bekommt man nochmals Punktabzug, und zwar so gewaltig, dass wenige den Rückstand je aufgeholt haben. Auch wenn man jetzt einen kennt, den man etwas besser kennt, einen, den man dreimal die Woche bei der Arbeit sieht, von dem man sich den Kopierer und die Kaffeemaschine hat zeigen lassen, der einem erklärt hat, wie es hier läuft und wer hier was zu sagen hat, der immer freundlich war und nur kurz Angst hatte, dass der Neue zu kompetent, zu schnell oder zu

Weitere Kostenlose Bücher