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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Mezger
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immer zwei gegen zwei. Es ist gut, wenn man Freunde hat, denkt man, gut, wenn es da einen Verbündeten gibt, einen, der dann nachzutrumpfen weiß, wenn man selbst schlechte Karten hat, einen, der einen aus der Misere zieht und der einen mit Herz und Kreuz gegen die Gegner verteidigt. Denkt man. Obwohl man eigentlich wissen müsste, dass man sich nicht vor den Gegnern, sondern vor den Freunden in Acht nehmen sollte. Die Regeln sind einfach, aber das macht das Spiel nicht leichter. Es gibt geheime Verabredungen, die offen auf dem grünen Teppichstückchen liegen, neben welchem Aschenbecher stehen, in denen Stumpen qualmen, diese werden nicht weitergeraucht, weil jetzt Konzentration nötig wird: Soll der andere Rot ausspielen, muss man Rot verwerfen, mit Karo Herzen wünschen. Verwirft der Gegner Schaufeln, dann sollte man sich hüten, die Runde mit Kreuz zu beginnen, es wäre der Punkt, bei dem der Freund zum ärgsten Feind würde. »Du hast doch genau gesehen, dass er Kreuz anzeigt, warum kommst du mit Kreuz, wir hätten noch Stiche gehabt, deine Karo-Neun war Bock und bei Herz hätte ich auch noch etwas gehabt.« Hier helfen keine Ausflüchte, der Freund kennt die Karten, wie ein Feind zählt er mit, weiß, was auf dem Tisch liegt, wir vermuten spiegelnde Fensterscheiben, denn er weiß auch, was noch auf der Hand ist.
    Moritz versucht Scherze, setzt an zu Reden, die er schwingen will, darüber, dass es Spaß mache, endlich einmal hier im Hirschen zu sein, die Nachbarn endlich einmal näher kennenzulernen, nicht immer bloß durch Hecken schielend oder wenn einer auf der Straße stehen bleibe, um das Haus anzustarren. Er will lachen und sagen, dass ja alles nur ein Spiel sei, über das Wesen des Spiels will er reden, aber das hier ist kein Spiel, denn hier wird nicht gelacht, und wenn, dann nur über eigene Witze oder über die Fehler der Gegner, allenfalls redet man über die Fehler der Verbündeten, wobei es dabei nichts zu lachen gibt. Ansonsten spielt man schweigend, keiner klopft einem Fremdling auf die Schulter, keiner fragt, wer man denn so sei und was man denn so gemacht habe und wie es einem denn so gehe. Man schweigt, selbst wenn es an eine neue Runde geht, wenn der eine triumphierend mischt, wenn der andere grinsend sein Glas hebt, an die Lippen oder um der Wirtin damit ein Zeichen zu geben, wenn ein Stumpen, der zu verlöschen droht, wieder angezündet wird, um den Ärger hinter einer Rauchwolke zu verstecken. Auch Moritz bestellt noch ein Glas, heute gehört er dazu, bloß Stumpen raucht er nicht, und der Schweiß auf der Stirn kommt nicht vom Alkohol. Er hat keine Zeit, ihn abzuwischen, denn die Runde geht wieder los, im Gegenuhrzeigersinn wird ihm immer schwindliger, weil er zu zählen versucht, weil er mithalten will, weil er keinen Hinweis verpassen darf, keinen Hinweis, was er spielen soll, um zu gewinnen, wie er schauen soll, um als ihresgleichen anerkannt zu werden, was er sagen soll, um Respekt zu ernten.
    Wir würden unseren Redner, der verbissen und schweigend in die Karten starrt, gerne anfeuern, würden ihn gerne loben, weil er unser bester Spieler ist, würden sagen, dass er der Mutigste sei, hier in der Höhle des Löwen, die hier Hirschen heißt. Wir freuen uns darauf, dass er nach Hause kommt, dass er schwankt und schwitzt und stinkt und mit lauter Stimme von seinen Trümpfen und Triumphen erzählt, und davon, wie er es denen gezeigt habe und dass man jetzt per Du sei, dass sie ihn in den Turnverein eingeladen hätten und in den Feuerwehrvorstand. Wir freuen uns auf Geschichten von Männern, die sich in den Armen liegen und Lieder anstimmen, und auf das verschmitzte Gesicht unseres Ältesten, wenn er erzählt, dass auch die Internationale dabei gewesen sei. Obwohl man hier keine Herren kenne, hier sei jeder sein eigener Chef und man halte zusammen, und der Förster habe einen zum Essen eingeladen, am Sonntag gleich nach der Kirche. Wir gehen nie in die Kirche, glauben nicht an Götter und nicht an Zuspruch von oben. Wir glaubten nicht, dass unser Redner schweigen kann, aber er kann sich dabei sogar auf die Lippen beißen. Wir können ihn fragen, was los war, aber er kann höchstens grummeln. Wir hatten uns gefreut über betrunkene Lieder, wie sie in diesem Haus viel zu selten gesungen werden, weil zu viele von uns noch zu klein sind fürs Trinken. Aber nicht zu klein fürs Singen und fürs Feiern. Wir wollten um den Hirschenbezwinger herumtanzen und wollten ihm nicht leicht über den

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