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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Mezger
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Frühlingsmüdigkeit hin.
    Er lässt sich gerne blenden, lässt sich gerne von der Arbeit abhalten.
    Zum Beispiel durch Tagträume. Oder zum Beispiel durch eine, die plötzlich seine Aussicht verdunkelt, weil sie zwischen ihm und der Frühlingssonne steht. »Na? Anstrengend?«
    Er entgegnet: »Sehr! Willst du helfen?«, und klopft dabei zweimal leicht auf den freien Platz neben sich auf dem Gitterrollenthron. Die Sonne beginnt wieder zu blenden und zu wärmen, denn Christine klettert auf den angewiesenen Platz, staunt, wie bequem der ist, lässt sich ebenfalls blenden, fühlt sich gleichfalls gewärmt und fügt an: »Das Leben ist manchmal gar nicht so schlecht.«
    *
    Weil Moritz in der ersten Hälfte des Tages so fleißig war, fiel niemandem auf, dass er in der zweiten Hälfte bloß herumsaß. Am Abend erntete er von Vera einen Kuss für die unsere Wiese umrundenden, noch nicht durch einen Zaun verbundenen Pfähle, wir versuchten daran zu ruckeln, wir lobten unseren Vorschlaghammerschwinger, Fabian versuchte, auf einen der Pfähle zu klettern, hielt sich zwei Sekunden, ließ sich mit einem theatralischen »Aaah!« zu Boden fallen, und dann wendeten wir unsere Aufmerksamkeit wieder anderen Dingen zu.
    Und auch heute steht Moritz wieder vor dem Haus, winkt uns zum Abschied und blinzelt lustlos in die Frühlingssonne.
    Während er darauf wartet, dass er Motivation oder aber Ablenkung findet, darf sich unsere Pflegerin von Jung (privat) und Alt (Beruf) die Geschichte der Witwe des Fabrikanten auch heute wieder anhören. Der Schwiegervater, die Wirtschaftskrise, die Italienerinnen und die Dorfkirche. – Vera denkt an ihre Pausenzigarette. – Der Fabrikantensohn und die Fabrikantentochter, die Stadtkirche und die alte Zeit, die die gute Zeit war. – Vera denkt an früher, an das alte Leben, das das schlechte Leben war. – Industrielle, Manager, Schind„luder. – Das frühere Leben liegt schon Jahrzehnte zurück, Vera kommt es vor, als lebten wir schon ewig hier, als höre sie schon zum hundertsten Mal die Leier der Fabrikantenwitwe, mitsingen könnte sie bereits. – Die böse, neue Zeit, die bösen Diebe, warum grinst das Dienstmädchen so böse?! – Vera ist vergnügt, sie geht nicht auf die alte Frau ein, freut sich, dass sie alles kennt, was diese sagt, dass die Zigaretten immer bereitliegen, dass sie, die Witwe des Fabrikanten, noch immer nicht herausgefunden hat, dass Vera die Diebin ist, und dass sie, Vera, noch immer nicht herausgefunden hat, wer der Witwe des Fabrikanten eigentlich die Zigaretten besorgt.
    Moritz steht vor dem Haus, er wartet auf einen Impuls, der ihm sagen würde, dass es jetzt losgeht mit arbeiten. Der Impuls kommt nicht, aber Moritz macht dennoch ein paar Schritte in Richtung Scheune, nur um es sich wenig später genauer zu überlegen und umzukehren. Denn bevor man sich um die Weide und um den Zaun kümmern kann, sollte man sich erst einmal um das Haus kümmern und um die Küche. Schneller, als einem lieb ist, ist wieder Mittag, und am Mittag kommen die Schulpflichtigen zum Essen und Schulpflichtige wollen keine Reste vom Frühstück vorfinden, die sie selbst hinterließen, weil wieder einmal Eile angesagt war, und jetzt stehen die Frühstücksteller als schmutziges Frühstücksgeschirr auf dem Tisch, und also zieht man besser die Stahlkappenstiefel wieder aus, die Stahlkappenstiefel, die man sich extra für die Arbeit da draußen gekauft hat und die bald einmal etwas Schuhcreme vertragen könnten, sonst altern sie schneller, als es unser Budget zulässt. Moritz sucht seine Hausschuhe, und bevor er den Frühstückstisch abräumt, setzt er noch einmal einen Kaffee auf, um in Schwung zu kommen. Dabei fällt ihm ein, dass die Schafe ja auch noch nichts gefrühstückt haben, und also zieht er die Hausschuhe wieder aus und zieht die Stahlkappenstiefel an, zieht diese aber auch gleich wieder aus, wieso soll er auch die Stahlkappenstiefel schmutzig machen, wenn es die Gummistiefel auch tun, Moritz will ja nur kurz die Schafe füttern, das kann man eigentlich auch in Holzpantoffeln tun, also landen auch die Gummistiefel wieder in der Ecke und aus der Ecke werden sie gleich wieder herausgeholt und ordentlich neben die anderen Schuhe gestellt, sonst muss man das nachher tun, denn heute will man ja ordentlich sein, und die Schuhcreme legt Moritz jetzt auch schon einmal bereit, damit er das Schuheeincremen nachher nicht vergisst. Und endlich geht er zu den Schafen. Er begrüßt die Schafe. Er

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