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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Mezger
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greift mit der Hand tief in Schaffell. Beim Hals packt und krault und streichelt er die Tiere, das mögen sie und Futter auch und das bekommen sie jetzt auch und: »Bald dürft ihr raus«, verspricht Moritz und beschließt, dass er heute noch die Arbeit am Zaun beendet, dann kann er auch endlich den Schafstall ausmisten, aber erst muss eben noch unser eigener Schweinestall ausgemistet werden. In der Küche steht der Kaffee noch auf dem Herd, zischt und sprudelt, die Herdplatte glüht dunkelrot, Moritz nimmt ein Handtuch, nimmt den Kaffee vom Herd, gießt sich eine Tasse ein, gießt etwas kaltes Wasser dazu, heute ist keine Zeit, um zu warten, bis der Kaffee von allein kühler wird, heute muss Moritz das gestern Versäumte aufholen, er darf keinen Gedanken verschwenden an die Sonnenstunden mit Christine auf dem Gitterthron. Lieber setzt er sich mit dem Kaffee kurz nach draußen auf die Treppe. Von hier aus kann man alles durchdenken, erst die Haus-, dann die Hofarbeit. Auch das Mittagessen, das eingekauft oder gekocht oder beides werden muss. Etwas Einfaches reicht. Brot und Käse. Für mehr ist keine Zeit. Denkt Moritz. Während er auf der Treppe sitzt und in die Morgensonne starrt, an seinem verbrühten, lauwarmen Kaffee nippt. Und nicht an Christine denkt. Christine, die ihn ablenken könnte.
    Moritz steht auf, um sich noch einmal einen Kaffee einzugießen, neben der Tür stehen die Stahlkappenschuhe, auf die er die Schuhcreme gelegt hat, er geht also in die Küche und sucht sich einen Lappen, um die Schuhe zu wichsen, er findet etwas, das einmal ein Hemd war und jetzt zum Putzen dient, er schaut das Ex-Hemd an, es hat einmal ihm gehört, er mochte es einmal, er kann nicht verstehen, weswegen es hier gelandet ist, die paar Löcher, die waren doch nicht schlimm. Moritz steht in der Küche, betrachtet den Stofffetzen, was wollte er damit, was will ich hier in der Küche, dieses Herumschlendern, das tut nicht gut, gestern war ich doch auch fleißig, ich brauche gröbere und körperlichere Arbeit, das wird mich in Schwung bringen, denkt Moritz. Und Moritz wirft den Lappen zurück in den Küchenschrank, gießt sich auf dem Weg nach draußen einen weiteren Kaffee ein, trinkt ihn in schnellen Schlucken, er ist schon ganz zittrig von all dem Koffein, besser, er isst mal noch schnell eine Scheibe Brot, also dreht er sich wieder um, wieder in die Küche, Brot steht noch auf dem Tisch, eine Scheibe abschneiden und wieder nach draußen, da die Stahlkappenstiefel anstarren, womit soll ich beginnen, die Schuhcreme beiseitelegen für später und jetzt endlich in die Schuhe und jetzt endlich wieder in Richtung Scheune, die Schafe haben eine Weide verdient, Moritz kramt bei der Scheune das nötige Werkzeug zusammen, den Hammer hat er schon gefunden, jetzt bloß noch die Krampen, dann kann es losgehen mit der aufgeschobenen Arbeit, und in genau diesem Augenblick sieht er Christine, die die Straße neben Haus und Scheune entlangläuft, die wohl zum Einkaufen geht.
    Moritz winkt.
    Christine ruft: »Das sieht nach Arbeit aus!«
    Vera steht im Garten des Altersheims unter dem kleinen Vordach, schaut in den Frühlingsvormittag, ist froh, dass der erste Winter, dass das erste Jahr überstanden ist. Das Nikotin breitet sich langsam im Körper aus, vernebelt den Kopf, die leichte Übelkeit, die aufsteigt, Vera genießt das Abtauchen, genießt die Ruhe, denn darum geht es doch hier, hier auf dem Land, um die Ruhe geht es, ums Ankommen, gemeinsam.
    Das erste Kind kam früh, das zweite und das dritte folgten schnell, eine junge Familie, die sich irgendwie durchhangelte. Bis Moritz endlich sein Studium abgeschlossen hatte, bis er eine Stelle fand, die Geld einbrachte, bis endlich auch Kind Nummer drei im Kindergarten war und bis sie nahe schien und greifbar: die Ruhe. Vera hätte wieder Zeit gehabt zum Arbeiten, hätte wieder Zeit gehabt für ihren Mann, aber der war plötzlich von Unruhe getrieben: Wo war das neue Projekt, was soll man tun im Leben, geht es jetzt immer so weiter, genau so?
    Dagegen hätte Vera nichts einzuwenden gehabt, aber Moritz schien sich dabei auf einmal abhandenzukommen. Also länger arbeiten, oder behaupten, dass man länger arbeitet, und später nach Hause kommen und neue Leute kennenlernen und durch die Stadt ziehen mit Bekanntschaften, von denen Vera gar nichts wissen wollte. Vera lag jeweils noch wach, wenn Moritz nach Hause kam, hatte keine Lust, sich Geschichten anzuhören, in denen es um spannende neue

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