Land Spielen
bloß noch Manager, die mit der Firma Schindluder treiben, statt auf feine Stoffe zu setzen wie ihr Mann, Gott hab ihn selig. Der Fabrikant wusste noch, was ein Geschäftssinn ist, erbte die Fabrik von seinem Vater, der sie seinerzeit den Gründern und Erbauern abkaufte, damals in der Wirtschaftskrise, als sie billig zu haben, sprich zeitweise geschlossen war. Der Schwiegervater, auch er längst selig und bei den Seinen, der hat den Dorfbewohnern Hoffnung gegeben und Arbeit und junge Italienerinnen, die sie auf den Dorfstraßen anstarren, bei Dorfbällen auffordern und in der Dorfkirche heiraten konnten. Bald übertrug der Vater dem Sohn die Fabrik, kümmerte sich um andere Ableger, bald fand der Fabrikantensohn eine Fabrikantentochter, die er vor den Traualtar der Stadtkirche führen konnte. Die Stadtkirche, selbstverständlich die Stadtkirche, sagt die Witwe des Fabrikanten, auch wenn der Hauptort kaum Stadt genannt werden kann. Die Witwe des Fabrikanten spricht von der Hochzeitsfahrt zurück ins Dorf, spricht von den Stufen zur Fabrikantenvilla, die sie ihr Gatte hochgetragen hat. Der habe noch zupacken können, sagt die Witwe des Fabrikanten, die wieder ganz Fabrikantengattin geworden ist, die ihr Dienstmädchen im kleinen Altersheimzimmer herumkommandiert. Das Dienstmädchen ist allerdings Altenpflegerin geblieben, hört nicht auf Kommandos, hört den Erzählungen nur halb zu, schaut nur aus Reflex dem Zeigfinger der Fabrikantengattin nach, die aus dem Fenster Richtung Hügel zeigt, wo die Fabrikantenvilla noch heute steht. Wo die Frau Fabrikantin heute noch hingehören würde. Von wo aus ein Dorf regiert wurde, bis die neue Zeit erst den Mann zur Strecke brachte und sicherlich auch bald die Fabrik.
»Und dann sitzt man im Altersheim und wird auch noch bestohlen«, fügt die Witwe des Fabrikanten an.
Unsere Schweigerin nickt abwesend, lächelt schweigend.
Seit wir auf dem Land sind, geht es Vera gut, sie sitzt täglich vergnügt vor dem Haus, bewundert die Landschaft, nennt das Leben Urlaub, fährt ohne Murren auch im Urlaub zur Arbeit, liebt das Singen auf dem Mofa, mag sogar die Geschichten der Witwe des Fabrikanten, freut sich auf die Zigaretten unter deren Matratze, raucht heimlich jeweils eine davon in der Arbeitspause.
*
Moritz gönnt sich auch am kommenden Tag keine Unterbrechung, er wehrt sich weiter mit Vorschlaghammerschlägen gegen sich verbündende Dörfler, gegen feixende Freunde, gegen Katerstimmung, gegen aufsteigende Gedanken, die den Dörflern, die den Feinden, die dem Kater recht geben wollen. Er wehrt sich Schlag um Schlag gegen unsere Faulheit, will uns zeigen, dass er es auch allein kann, aber seine Stärke bleibt unbeobachtet. Kein Einziger von uns applaudiert, als der letzte Pfahl seinen unverrückbaren Platz am Wiesenrand gefunden hat, kein Stumpenraucher kommt zufälligerweise vorbei, um beiläufig an diesem Pfahl zu rütteln und dem Zugezogenen anerkennend zuzunicken. Niemand sagt, dass man dem Städter solch fachmännisch verankerte Pfosten gar nicht zugetraut hätte.
Ungerühmt gönnt sich Moritz weder einen imaginären Schwatz mit nicht Anwesenden noch einen Augenblick der Ruhe, das Pfahleisen bleibt in der Wiese liegen neben dem Vorschlaghammer und den überzähligen Pfählen. Moritz marschiert zur Scheune, wendet sich den Gitterrollen zu. Die erste wird vom Stapel gezerrt, hier saßen wir in der ersten Frühlingswärme, von hier aus blinzelten wir in die Sonne und bewunderten die Aussicht, wir spielten Meer, spielten Kreuzfahrt, wippten im Takt der Wellen. Die schäumende Gischt und Eisberge vor uns, unter uns der zukünftige Schafzaun, der sich mit jeder gemeinsam gefeierten Woge weiter ins Oval verbog.
Moritz schimpft, während er die erste Rolle ausrollt: Eigentlich ist sie neu und hat noch kein einziges Tier eingezäunt, und dennoch ist der Maschendraht zerknickt und nur umständlich aus der Form zu bringen. Moritz lässt auch ihn liegen, macht sich auf die Suche nach einem Hammer, sucht die Schachtel mit Krampen, sie ist fast leer. Wahrscheinlich haben sie die Jüngeren von uns wieder einmal als Geschosse missbraucht. Die Älteren von uns haben das verboten, aber Krampen eignen sich einfach zu gut zum Verschleudern. Man lädt das Gummiband, das zwischen Daumen und Zeigefinger gespannt wird, zieht auf und lässt los, trifft genauer als mit Steinen und zielt also nicht auf Lebendiges, höchstens ausnahmsweise auf Katzen, die streunen und mit jaulenden Lauten Treffer
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