Land Spielen
verursachende Rauchschwaden, die es mit Erkältungen verursachendem Lüften zu bändigen gilt. Lange macht er es nicht mehr, aber heute scheint er keine Schwierigkeiten machen zu wollen, heute scheint die Vormittagssonne ins Wohnzimmer, heute glauben wir daran, dass er und also auch wir auch diesen Winter überstehen werden. Vera und Moritz spielen Sommer, tun, als käme die Hitze nicht vom Holz, das wir eigenhändig angezündet haben, tun, als sei der Schnee auf den Feldern längst geschmolzen und längst vergessen. Sie lassen sich blenden, testen die Weichheit des Spannteppichs. Auf dem Boden liegend ist das Sommergefühl doppelt überzeugend, die Fensteraussicht zeigt nur Himmel und keinen Schnee. Mußestunden wie diese sind viel zu selten geworden in den letzten anderthalb Jahren. Die Sonne, die Wärme, der Teppichboden lassen auch anderes vergessen: Dass wir allein sind, ist heute ausnahmsweise nicht Belastung, sondern Freude, dass der Ofen uns an viel zu vielen Wintertagen im Stich ließ, ist heute kein Thema. Statt Gespräche zu führen, die längst hätten stattfinden sollen, albern die beiden sich die Schwere vom Leib, hoffen beide, dass der andere nicht mit Sätzen anfängt, die mit »Wir sollten einmal etwas klären« anfangen. Um sich nicht in die Augen zu sehen, reißen sie sich gegenseitig die Kleider übers Gesicht und vom Leib, bloß eheliche Pflichten (Moritz) und Rechte (Vera) werden heute verhandelt, sie kichern, werden einig, scheuern ihre nackten Körper am Teppichboden glatt.
*
Christine auf ihrem Weg zur Arbeit. Sie fährt die Dorfstraße hinunter, fährt an unserem Haus und unserer Scheune vorbei. Der Kontrollblick zum Scheunentor ist antrainiert, fällt ihr in seiner Flüchtigkeit kaum mehr auf: Steht das rote Mofa da? Egal, wie die Antwort ausfällt, Christine fährt nun täglich weiter, ein fehlendes rotes Mofa bedeutet nicht mehr Einladung, es bedeutet nichts. Es gibt keinen Grund, die Geschwindigkeit zu drosseln, ja, das rote Mofa ist nicht da, aber nein, es gibt keinen Grund, anzuhalten.
Das fehlende rote Mofa. Christines rechter Fuß schwebt über der Bremse, berührt sie leicht, drückt sie dann behutsam nach unten, weiter und immer weiter. Als der Wagen zum Stehen kommt, liegt unser Haus schon deutlich hinter ihr. Christine lässt den Motor laufen, richtet den Rückspiegel aus, bis sie das Haus sieht. Die Hecken drückt der Schnee in die Knie, das Haus steht freier als sonst. Wenn die Blätter sprießen, sieht es abgeschotteter aus. Einmal war sie ein Teil dieses Reichs, ein Sommer voll gemeinsamer Vormittage mit Moritz.
Da ist sie wieder, diese Klarheit, die ihren ganzen Körper zu durchströmen scheint, Christine richtet den Rückspiegel wieder korrekt aus, der Entschluss, den Rückwärtsgang einzulegen, überrascht sie selbst. Sie fährt die paar Meter die Straße hoch, parkt das Auto auf der Straße bei der Scheune. Was sie sich von dem Besuch verspricht, weiß sie selbst nicht genau, wahrscheinlich will sie ihre Klarheit teilen, mitteilen. Will Moritz vom Stand der Dinge erzählen. Oder will ihn einfach nochmals sehen, will ihm sagen, dass diese ganze Geschichte, so wenig auserzählt sie auch sein möge, sie weiter- und nicht umgebracht habe. Sie geht den freigeschaufelten Weg entlang, nähert sich dem Haus, lässt sich Zeit. Sie ordnet Sätze, sucht Ausreden für ihren Besuch, merkt, dass es keine Ausreden braucht.
Beim Haus angekommen, schaut sie durchs Wohnzimmerfenster, erst sieht sie nur sich selbst in der Spiegelung, sie schirmt die Sonne mit den Händen ab, kann Moritz nirgends entdecken. Schon will sie sich bemerkbar machen, an die Scheibe klopfen, da schiebt sich ein nackter Rücken in den unteren Bereich des Bildes. Christine macht einen ertappten Schritt zur Seite, lehnt an die Hauswand, da, wo man sie vom Wohnzimmer aus nicht sehen kann. Sie kann sich einen erneuten Blick nicht verkneifen. Auf die Gefahr hin, entdeckt zu werden, presst sie ihr Gesicht erneut ans Glas. Nun sieht sie das Paar, das sich auf dem Spannteppich vergnügt, genauer. Der Anblick ist ungewohnt, ist gleichermaßen spannend, also spannt Christine weiter, betrachtet das seltsame Winden dieser Körper, und erst allmählich dringt in ihr Bewusstsein, wer hier mit wem schläft und mit wem eben nicht. Macht es ihr etwas aus?
Sie schaut auf Haut, die sich an Haut reibt, merkt, dass ihr das nichts anhaben kann.
Noch immer kein Zusammenbruch. Dafür dieses Bild, wie für sie eingerichtet: das
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