Land Spielen
Verantwortung für dich, bei dir, lass mich nicht stark sein müssen, nur weil ich es kann. Die Welt verglüht, wird von Meteoriten erschlagen oder von Aliens ausradiert, zugefroren, niedergetrampelt, und wir verstehen, was gemeint ist. Vom Sofa aus sind wir froh, dass wir verstanden werden, wären froh, wenn eine Riesenwelle auch uns wegspülte. Stattdessen verbiete ich dir zu jammern, verbiete es dir, in mein Bett zu kommen, das nur eine Gästematratze in meinem Arbeitszimmer ist. Schicke dich weg, wenn du vor Mitternacht kommst, tue so, als ob ich den Trick nicht durchschauen würde, wenn du morgens um drei kommst. Ich schlafe weiter oder tue so, während du tust, als seist du nicht da. Während du planst, wie das gehen könnte, das Weggehen, das Sich-Auflösen, das Von-der-Welt-Verschwinden, das Sich-aus-der-Welt-Befördern. Bis du mich aufweckst mit deinem Weinen, deinem Zittern, deinem Wegtreten, Abdrehen, Durchdrehen. Oder deinem Stillsein, das mich am meisten aufschreckt. Deine klaren Momente, in denen du merkst, dass das alles ein Missverständnis war: das mit dem Geborenwerden. Dass es einfach Menschen gibt, die zu schwach sind für diese Welt. Dass man das doch alles nicht von dir verlangen kann. Dass doch alle immer nur denken würden, dass du das alles kannst. Aber du kannst es nicht. Das ist zu groß, zu schwierig, zu schwer. Zu belastend für die anderen, zu belastend für mich. Du wärst doch auch froh, wenn ich endlich weg wäre. Sagst du. Was soll ich denn noch hier? Fragst du. Und fragst nicht rhetorisch. Während ich keine Träne mehr vergieße, seit Salzwasserfluten durch die Wohnung fließen. Ich verschiebe mich auf später, funktioniere, ordne, rette, bin routiniert, bin kontrolliert, lasse dich nicht hängen, rufe bei deiner Arbeit an, bei einer Psychologin, schleppe dich ins Auto, fahre dich in den Hauptort, trage dich die Treppen hoch, während du nicht mehr weißt, wie du heißt und warum dich eine Psychologin gerade zu einer Psychiaterin geschickt hat und warum dir eine Psychiaterin gerade diese Pillen verschreibt, von denen dir übel wird, zu deren Einnahme ich dich ebenfalls zwinge, wie ich dich auch anflehe, bitte wieder zu dir zu kommen, mir deine Bürde abzunehmen, ohne dass du dich gleich von der Bürde namens Leben befreist. Ich sage dir, dass du dich jemand anderem anvertrauen sollst. Und sage dann doch wieder, dass ich immer hier sein werde im Notfall. Verspreche es. Und rede die Notfälle mit herbei. Habe Mitschuld, weil ich dir auf die Füße helfe, auf denen du nicht mehr allein stehen können magst. Weil ich dir vorschlage, dir Höhlen zu bauen unter dem Wohnzimmertisch, wenn gar nichts mehr geht. Und da hockst du unter mit Decken bedeckten Tischen, hörst Kinderkassetten und lädst mich zu dir ein. Ich lehne ab, schmeiße den Haushalt, bin froh, dass du dich beschäftigst. Ich ordne dein Leben, soweit es noch ein Leben ist. Bringe Katastrophenfilme zurück, miete uns neue Katastrophenfilme. Damit die Abende vorbeigehen. Irgendwann. Endlich. Damit du irgendwann und endlich so erschöpft bist vom Weinen, vom Betteln, vom Schreien und vom Aufgeben, dass du aufgibst und einschläfst. Ich trage dich ins Bett. Alles schon Routine. Auch so ein Leben funktioniert. Auch daran gewöhnt man sich.
Ich habe anderes zu tun, als meinen eigenen Puls zu fühlen. Ich fühle deinen. Er ist leise, er ist schnell. Es ist dein Leben, worum ich kämpfe, meine Schönste, meine Liebste. Meine ehemals Geliebte. Du Narzisstin, du Egomanin. Du Schmerzensanhäuferin, du Elendssuhlerin, du Mitleiderheischerin. Erpresserin mit deinen Tränen, deinen Messern, mit deiner Vorliebe für hohe Felsen und dem Reden drüber. Ich glaube dir, weil du schon woanders bist, während du nirgends mehr sein möchtest. Weil du keinen Schmerz mehr spürst, wenn du nur noch überlegst, welche Methode die erfolgversprechendste wäre. Weil du dich auflöst in deinem Gejammer, Gezeter, Geweine. Trotz Valium mit Tränen in den Augen wankst du, wohl wegen des Valiums, durch den Hauptort. Bittest mich, Kinderbrei zu kaufen, weil das das Einzige ist, was du noch isst. Kilo für Kilo fällt von deinem bereits schon allzu dünnen Körper. Kinderbrei, Ovomaltine, im besten Fall noch eine Banane. Im besten Fall gefüttert. Und wenn ich mich weigere zu füttern, was ich meistens tue, dann isst du nur unter Aufsicht. Jeder Löffel muss erbettelt werden von mir. Bitte nur noch den und nur noch den nächsten, nein, du musst essen,
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