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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Mezger
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keine Freunde, den Kindern gefällt es nicht in der Schule und mein Mann vögelt die Kindergärtnerin.«
    »Anja?!«
    Vera schaut Rudolf an, ertappt sieht er aus. »Wer?«, fragt sie, und bevor Rudolf zu Erklärungen ansetzen kann: »Nein, ich meine die Ex-Kindergärtnerin. Christine.«
    »Ach so, ich dachte schon, du … Weil Anja ja neuerdings verlobt ist mit Werner von der Milchzentrale … Aber, na ja, ist ja auch egal …«
    Rudolf rudert in der Luft herum, Asche fällt von seiner Zigarette. Nun muss Vera trotz schlechtester Laune grinsen, zu hilflos sieht der Dandy aus, und obwohl sie sich nicht für das Sexualleben des Dorfpfarrers interessiert, der niemandem verpflichtet ist, den es gibt, sagt sie: »Du hast was mit der Kindergärtnerin?«
    Rudolf lässt die Deckung fallen, erklärt, das sei längst vorbei, bloß so eine kurze Geschichte, es gebe nicht allzu viel, Anführungszeichen, Frischfleisch in der Gegend. Und noch viel weniger Kandidatinnen, die nicht längst vergeben seien. Er schaut Vera gerade in die Augen, sie bittet um eine weitere Zigarette, sagt, er könne tun, was er wolle. Sie lässt sich Feuer geben, fragt: »Wie hältst du es hier aus?«
    »Man gewöhnt sich daran. – Und man beginnt es zu lieben.« Und er zählt auf: die Bauern, die nach vergorener Milch riechen, als kämen sie gerade vom Stillen. Die Bäuerinnen, die noch stämmiger aussehen als ihre Männer. Die flirtenden Greisinnen von der ersten Kirchenbank. Die Jungbauern, mit denen man seit der Konfirmation per Du sei. Und nach einer auf Pointe zielenden Kunstpause fügt er an: »Und der Vorteil, dass ich nicht in einem Dorf lebe, sondern in dreien.«
    Mit der Schuhkante rasiert Vera letzte Relikte von Unkraut, die zwischen den Steinplatten der Kälte trotzten.
    Rudolf kommt aufs Thema zurück: »Wie lange weißt du es schon?«
    »Hm?«
    »Das mit deinem Mann.«
    »Schon viel zu lange. – Aber seit gestern mit ziemlicher Gewissheit.«
    »Scheiße.«
    »Ja.«
    »Falls du das Bedürfnis hast, dich zu rächen, dann sag Bescheid«, sagt Rudolf.
    »Vielleicht wird es einfach Zeit, wieder wegzuziehen«, ist Veras Antwort. Sie weint trotzige Tränen, er legt seine Hand auf ihre Schulter, massiert mit dem Daumen ihr Schlüsselbein.
    »Ich meine es ernst«, sagt Rudolf.
    »Kaum dass Ruhe ist, ist wieder Unruhe«, sagt Vera. »So ist er immer, immer muss sich etwas ändern, nie kann es bleiben, wie es ist.«
    Rudolf zieht Vera näher an sich heran, umarmt sie, drückt sie. Vera hängt in seinen Armen, Rudolf hält sie umfasst. »So eine Scheiße«, sagt Vera und beginnt mit den Füßen zu strampeln, als wolle sie einen Stepptanz auf die Platten legen. Kein Befreiungstanz. Bloß Überforderung, weil sie keine Ahnung hat, was sie jetzt tun soll.
    Rudolf hält sie fester, wartet, bis das Stampfen abgeebbt ist. Vera presst ihre Stirn an seine Brust, sie stehen lange so da. Jetzt sollte man sich lösen, sollte nach einer letzten Zigarette fragen und man sollte sie schweigend oder lachend rauchen. Stattdessen nimmt der Pfarrer dreier Dörfer Veras Kopf in seine Hände, sie windet sich unentschlossen. Zum Glück ist da keine Haarsträhne, die er ihr aus dem Gesicht streichen kann. Er drückt dennoch seine Lippen auf die ihren.
    *
    Hatte Vera im Garten des Altersheims noch Sätze bereitgelegt, die mit »Wir müssen reden« eingeleitet worden wären, hat sie der Kuss des Dorfpfarrers offenbar wieder zum Schweigen gebracht. Sie kommt nach Hause, wo Moritz auf dem Feld steht und am Schafzaun rüttelt, er zieht die Krampen aus dem Holz, legt den Maschendraht auf den Boden, damit der Schnee, der nun bald kommen wird, ihn nicht zerdrücken kann. Vera könnte zu ihm hingehen, könnte ihm helfen, könnte ihn dabei zur Rede stellen, könnte sagen: Was sollte das gestern? Aber der von ihr kurzzeitig erwiderte Kuss lässt sie das Gespräch verschieben, sie macht sich im Haus zu schaffen, bereitet Abendessen zu, bald füllt sich die Küche, bald findet wieder der Kampf zwischen Nachrichtensprecher, Redenschwinger und Schulkindern statt, ein autoritäres »Psst« von Moritz bringt alle außer Ersteren zum Schweigen. Schnee bis in die Niederungen wird angekündigt. »Seht ihr«, sagt Moritz, und das Stimmengewirr wird wieder laut. »Können wir bald wieder rodeln?« »Wann kommt denn der Schnee?« »Was heißt Niederungen?« »Ich werde jeden Tag mit dem Schlitten zur Schule fahren.« »Ich fahre mit dem Schneepflug.« »Du kannst gar nicht Schneepflug

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