Land Spielen
man ihm trauen kann, außerdem stimmt es gar nicht, was er sagt, zumindest der erste Teil nicht. »Rudolf«, echot Ralf. Dann sind Fabian und Ada dran, reichen frisch gewaschene Hände, Vera trocknet ihre ewig an der Schürze ab und lässt sich endlich dennoch auf die Wangen küssen.
Der Dorfpfarrer kommt allein, obwohl er durchaus heiraten dürfte, man ist nicht katholisch in der Gegend, hält nichts vom Zölibat, nach dem der Pfarrer unbeabsichtigt dennoch lebt. Es sei nicht so leicht, in der Gegend eine Frau zu finden, zu dem Satz gehört ein Zwinkern in Veras Richtung, lustig will er wohl sein, der Gottesmann.
Na ja, Verehrerinnen gäbe es ja viele, die Verehrerinnen seien überhaupt die treusten Kirchengänger, es sei auch schon vorgekommen, dass gewisse von ihnen gleich zweimal zum Gottesdienst kamen, hier und im Nachbardorf, aber so viel Dienst könne kein Gott verlangen, die Groupies seien ja gut bedient mit Predigten, denn er besuche sie ja auch mittwöchentlich zu Hause im Altersheim …
Dazu schaut er nochmals zu unserem stillsten Mitglied, das schweigt und lächelt. Der Pfarrer macht Witze über die alten Damen, die ihn nach den Predigten umarmen oder heiraten wollen, dann endlich überreicht er sein Geschenk:
Solchen Eigenbrand bekomme er andauernd, es gebe mal hier ein Kind zu taufen, da einen Vater zu beerdigen, zu erben gebe es da ja meistens nichts, die Söhne haben den Hof schon übernommen, sofern Söhne da sind und Subventionen, denn man wird nur bis zur Rente gefördert, danach macht der Vater sich den ohnehin krummen Buckel für den Sohn krumm, der früher für diesen gebuckelt habe, da gebe es schon einmal Streit, da müsse ein Pfarrer schon einmal dazukommen und mit den beiden einen Schnaps trinken und über das Leben an sich und über die Zeit und wie sie sich verändert reden, und das könne er, Gott sei Dank …
Wir hören dem Pfarrer zu, auch wenn die meisten von uns nicht verstehen, wovon er spricht. »Dürfen wir auch Schnaps probieren?«, fragt Fabian. »Ihr dürft euch setzen«, sagt Vera. Aufgetragen wird Coq au Vin. »Weißt du, was das heißt?«, fragt Rudolf, Fabian sagt, er esse sowieso kein Fleisch. »Seit wann denn das?«, fragt Moritz spöttisch. Er esse bloß, was wir auch selbst geschlachtet hätten, sagt Fabian. »Hör mir bloß auf mit Schlachten«, sagt Vera. »Macht ihr das denn selbst?«, fragt Rudolf. Vera: »Einmal und nie wieder.« Und Moritz gleichzeitig: »Klar, sobald die Mauser vorbei ist.«
Auch Ada will nun auf einmal kein Hühnchen mehr. »Ihr hättet vorher ankündigen können, dass ihr plötzlich Vegetarier seid«, sagt Moritz, der sich in seiner guten Laune nicht beirren lässt. Fabian sagt: »Ada, das ist jetzt mein Ding, du kannst nicht immer alles nachmachen.« Rudolf: »Du solltest probieren, da ist Wein im Essen, das ist fast wie Schnaps.« »Mama, stimmt das?« »Wein ja, aber der Alkohol ist längst rausgekocht.« »Wird man nicht betrunken davon?« »Versuch’s!«, sagt der Pfarrer, greift sich die Weinflasche und schenkt den Erwachsenen ein. »Wenn du kein Huhn willst, dann nimm wenigstens vom Gemüse, da ist auch Sauce dran.« Fabian will gerade einwilligen, als Ada verkündet, dass das Gemüse aber neben dem Fleisch gelegen habe, sie esse das nicht. »Lass sie doch einfach Kartoffeln essen«, sagt Moritz, dann hebt er sein Glas und auch die ohne Wein dürfen prosten.
Man isst, Rudolf lobt das Essen und mit listigem Blick die Köchin, er lässt sich nachschenken, scheint den Alkohol gut zu vertragen, scheint gut gelaunt zu sein. Er macht Witze über die Dorfbewohner und über seinen Beruf, nimmt Moritz, der sich Sticheleien vorgenommen hat, allen Wind aus den Segeln. Zwischendurch wirft er uns lustige Blicke zu, vielleicht, um Moritz zu sagen, dass auch Atheisten ihn verstehen müssen, vielleicht, um den Kindern zu sagen, dass Kinder noch nicht alles verstehen müssen, vielleicht, um Vera zu sagen, dass man sich auch wortlos versteht und von Anfang an.
»Das schmeckt wirklich ausgezeichnet«, sagt der im Lobpreisen Geübte und dann übergangslos: »Ihr habt euch früh um Nachwuchs gekümmert, was?«
Nun muss erzählt werden, Moritz obliegt es, in seine Gegenrede sanfte Spitzen und bessere Witze einfließen zu lassen, das Thema ist nun allerdings vorgegeben und zugegebenermaßen einengend: »Ja, man tut, was man kann, um dem Herrn wohlgefällig zu sein.« Rudolf lacht. »Was heißt wohlgefällig?«, fragt Ralf. »Der Herr ist im Himmel«,
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