Land Spielen
isoliert hier.«
Moritz will so etwas nicht hören, steigert kurzzeitig die Lautstärke, verkündet, wie gut dieser Umzug allen getan habe, Vera gibt auf, verschränkt die Arme, lehnt sich zurück. Rudolf behält sie im Auge, während er das betrunkene und monothematische Gerede über sich ergehen lässt.
Moritz ist gerade angelangt bei der Urtümlichkeit, die man hier vorfinde, als der Pfarrer ihn brüsk unterbricht und trocken anfügt: »Klar, da werden bald noch mehr wie ihr kommen. Ist schließlich authentischer hier, nicht wahr?« Er lächelt breit, freundlich, möchte man denken, und steht auf. Er gehe jetzt mal eine rauchen. »Willst du auch eine?« Er hält Vera die Schachtel hin.
Vera schaut zu Moritz, der den unhöflichen Gast anstarrt und sich offensichtlich unserer Einzigartigkeit beraubt fühlt.
Vera überlegt, wartet, entschließt sich.
»Gern.« Sie nimmt sich eine Zigarette.
Moritz schaut sie mit großen Augen an.
»Seit wann …«
»Du kannst eine der Fleecejacken haben, es ist kalt draußen.«
Sie steht ebenfalls auf, verlässt mit Rudolf das Wohnzimmer. Moritz hört, wie Vera im Flur fragt, ob die Jacke auch passe, dann fällt die Haustür ins Schloss.
Stille.
Moritz mit offenem Mund allein im Wohnzimmer.
Immer noch Stille.
Von draußen ist nichts zu hören, das Zweiergespräch wird wohl vom Schnee verschluckt.
Moritz bleibt auf seinem Platz, schaut sich im leeren Raum um. Er gießt sich seinen Eierbecher voll, wartet.
Von draußen ist noch immer nichts zu hören.
Moritz steht auf, geht in die Küche, stellt das Geschirr zusammen, lässt den Wasserhahn laufen, um es einzuweichen, der Strahl trifft einen der Teller frontal, es spritzt, Moritz flucht, stellt den Hahn wieder ab.
Er geht zurück ins Wohnzimmer.
Er nimmt sich den Eierbecher. Er nimmt einen Schluck.
Er flucht erneut.
Und geht endlich ebenfalls nach draußen.
Vera und Rudolf rauchen schweigend, Moritz stellt sich dazu.
»Ich nehme dann auch mal eine.«
»Klar«, sagt Rudolf, hält ihm die Schachtel hin, gibt Feuer.
Moritz nimmt einen tiefen Zug, unterdrückt das Husten, das im Hals hochsteigt. Er würgt, er pafft, er friert, Rudolf trägt seine Jacke. Sie schweigen.
Vera wirft ihren Stummel in den Schnee.
»Noch eine?«, fragt Rudolf. Vera zuckt mit den Schultern, macht eine Kopfbewegung in Richtung Moritz: »Muss ich wohl.«
F ÜNF
Die Kleineren von uns machen heute Schulausflug, besuchen die Größten des Dorfes: die Retter in rot, die mit ihren Fahrzeugen jeden zweiten Donnerstag ausrücken, um zu proben, wie es wäre, wenn es einmal brennen würde. Der Dorflehrer ist selbst freiwilliger Flammenlöscher, ist bei Testalarm genauso schnell in der Uniform wie die Bauern und Handwerker, die gerne zeigen, dass sie rennen oder brausen können, die sich freuen auf eine wohlverdiente Pause von ihrer täglichen Arbeit. Auf dem Vorplatz steht man herum, macht sich über Spätankömmlinge lustig und raucht, damit da wenigstens irgendwo ein Feuer ist. Sind alle da, spricht der Förster, der auch Feuerwehrkommandant ist, den allgemeinen Segen aus und schickt die Bauern wieder zu ihren Tieren, die Handwerker dürfen nochmals eine rauchen oder kurz ein Atemschutzgerät aufsetzen, dann sind auch sie entlassen, man sieht sich nächsten Donnerstag wieder, wo im Zweiwochentakt Schlauchausrollen geübt wird. Die richtige Brandbekämpfung findet hinterher und ausführlicher im Hirschen statt, denn die Feuerwehrmänner wissen, sie würden Rauchzeichen sowieso direkt weitergeben müssen ans Nachbardorf, wo die Feuerwache direkt neben der Fabrik steht. Die Fabrik beheizt im Winter ihre Anfahrtswege, also ist auch die Feuerwehrausfahrt immer schneefrei, auch sind die Löschfahrzeuge zahlreicher, die Fabrik hat eigene Feuerwehrbeauftragte, und das Nachbardorf ist ja nicht weit weg. Dennoch ist man stolz, dass man sich im Not-, also Brandfall theoretisch auch selbst zu helfen wüsste, die vierzehntägig stattfindende Feuerwehrübung ist kein Selbstzweck, man kann sich zeigen, dass man anpacken kann, kann sich außerhalb des Hirschens Wettkämpfe liefern, die Feuerwehr ersetzt den Turnverein, auch den gibt es bloß ein Dorf weiter. Wie der Schießstand, den man ebenfalls mit den Nachbarn teilen muss, seit ein Sturm den dorfeigenen geköpft hat. Um die Gemeindefinanzen steht es schlecht, der Förster weiß noch nicht, ob er bei der nächsten Gemeindeversammlung für den neuen Schießstand oder für die Bodenheizung des
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