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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Mezger
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Moritz hofft für sie, dass sie bis auf Weiteres um ihn herumkommt. Alles andere tut keinem von beiden gut.
    »Bitte seid so gut und geht jetzt ins Bett.« »Müssen wir heute Zähne putzen?!« »Ihr müsst immer Zähne putzen.«
    Im allgemeinen Wirrwarr flüstert Vera Rudolf ein »Sag bitte nichts!« zu.
    »Ich versuch’s«, gibt dieser zur Antwort, er stellt sich draußen auf die Treppe, raucht eine Zigarette, dann endlich sind die Kinder wenn auch nicht im Bett, so doch wenigstens in ihren Zimmern. Die Erwachsenenrunde findet sich wieder im Wohnzimmer ein.
    »Noch einen?«
    »Unbedingt.«
    Rudolf wärmt sich die Hände am Ofen, von hier aus hat er Moritz gut im Blick, er fragt beiläufig: »Wo waren wir stehen geblieben?« Vera schüttelt kaum sichtbar den Kopf, der Pfarrer setzt sich über solche Bitten hinweg: »Ach ja, ihr seid doch befreundet mit den beiden?«
    »Den beiden?«
    »Lehrer und Frau.«
    Veras Blick pendelt zwischen dem Gast und ihrem Mann hin und her, beide sollen doch bitte einfach schweigen, der eine soll nicht fragen, der andere soll nicht reden. Sie hätte Rudolf nie vorheulen sollen, überhaupt hätte man besser auf diesen Besuch verzichtet. Moritz ist den ganzen Abend schon so angriffslustig, ist schon deutlich angetrunken. Sie hasst es, wenn er so ist, hasst ihn, wie er aus allem einen Wettkampf macht. Nun scheint es um die beste Unschuldsmiene zu gehen: »Ach die, na ja, lose«, sagt er.
    »Lose?« Rudolf lässt es klingen wie ein Psychiater, der nur mit halbem Ohr zugehört hat und nun ein »Interessant …« einstreut, aber er registriert jede Änderung in Moritz’ Gesichtsausdruck, zum ersten Mal an diesem Abend scheint er sich nicht nur für die Gastgeberin zu interessieren. Was wiederum Moritz nicht entgeht. Moritz, unser Redner, der keine Lust hat auf Verhöre, vor allem dann nicht, wenn er die Anklage, besser gesagt die Richtung, aus der die Anklage kommt, nicht versteht. Er brummelt: Bei denen stünden doch so Elektroöfen in der Wohnung herum, wohl weil es der Frau Dorflehrer auch in normalen Wintern gerne zu kalt werde oder weil das mit der Heizung öfter passiere, jedenfalls, ja, diese Elektroöfen fräßen ziemlich viel Strom, aber seien ja schon auch praktisch: »Vielleicht sollten wir uns auch ein paar von denen zulegen, dann braucht Vera auch nicht so Angst zu haben wegen unseres Ofens.« Ein ironischer Hundeblick. Ein Tätscheln von Veras Hand. Vera, die ihre Hand zurückzieht. Moritz, der erst nach der Schnapsflasche und dann beim Einschenken übergangslos zum nächstbesten Thema greift, das nichts mit Christine oder Ähnlichem zu tun hat.
    »Setz dich doch wieder, hier nimm noch einen, ist ja eh dein Schnaps, sonst denke ich noch, er sei vergiftet. Oder ungeweiht.« Moritz gießt sich und dem Gast nach, beginnt ihn auszufragen, wo er denn sein Theologiestudium gemacht habe und wie er es denn aushalte »hier hinten« mit diesen starrköpfigen Dörflern.
    Ach die, die seien schon recht, die hätten halt gerade andere Sorgen, als sich mit Touristen abzugeben. Dem Wort »Touristen« gibt der Pfarrer einen Unterton, der verschleiert, ob er oder die anderen uns so nennen.
    »Was denn für Sorgen?«
    »Ach ja, die Gegend geht vor die Hunde, bald wird das Milchkontingent abgeschafft, die Fabrik steht vor dem Konkurs, die Jugend verlässt die Gegend, die Einzigen, die noch mit verklärtem Blick auf das alles hier schauen können, seid wahrscheinlich ihr.«
    Moritz trinkt, schenkt nach, hört sich etwas zu laut fragen: »Was willst du damit sagen?«
    Rudolf lächelt, »Ich nehm dann auch noch einen«, und fügt zu Vera gewandt unschuldig hinzu: »Und? Wie gefällt es euch?«
    Klare werden gekippt, das Gespräch schlägt Haken, Vera bekundet, dass es nicht nur einfach sei hier, Moritz fühlt sich in den Rücken gefallen, widerspricht, lobt die Gegend und unser Leben, Rudolf ist der Alkohol kaum anzumerken, das ironische Lächeln will nicht von seinem Gesicht verschwinden.
    Moritz kommt nun richtig in Fahrt, zeigt sein rhetorisches Geschick und dass er hier der Redner am Tisch ist. Er verliert sich in Ausführungen über den alternativen Ansatz. Vera betrachtet ihren Mann, kann ihn nicht ausstehen in seiner Selbstgerechtigkeit, hasst dieses Gegockel, das er zelebriert, das er nicht abschalten kann. Warum kann man nicht einfach einmal nur normal über alles reden, warum wird alles immer bloß eine Werbeveranstaltung? Sie versucht, zu Wort zu kommen: »Man ist natürlich schon auch

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