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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Mezger
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hättest uns helfen können. Hast du eine Vorstellung davon, wie unser Winter war?!«
    »Ich kann doch nichts dafür, dass sie labil ist!«
    Andreas echot: »Labil …«, und fügt mehr ausatmend als sprechend hinzu: »Separatisten, ja, das seid ihr. Separatisten …«
    Moritz lacht auf, schweigt.
    Andreas wendet sich erneut zum Gehen.
    »Und du? Du bist der stille Dulder oder was? Aussitzen und abwarten.«
    Aber Andreas wartet nicht mehr ab, zuckt bloß mit den Schultern und geht.
    *
    Sieg für Ralf auf der ganzen Linie. Unser Erinnerer ist unser bester Stratege, wir dachten nicht, dass er ein dermaßen gewagtes Spiel spielen kann, wer hätte gedacht, dass er damit mehr erreicht, als je gewünscht: Statt kurzfristigen Respekt verschafft ihm sein Abgrenzungsversuch eine neue Mannschaftsaufteilung. Er hat seinen Standpunkt und seine Zugehörigkeit vor versammelter Klasse kundgetan, die Folgen sind ein verlorener Verbündeter, auf den Ralf gerne verzichtet. Dafür ist sein Weg zum Herzen der Klasse und zur Offenlegung des heimlichen Bündnisses mit dem Pausenplatzanführer nun unversperrt, offen und frei. Er hat gestern zwar nicht alles verstanden, eigentlich verstand er bloß Moritz’ Schimpfen, nachdem er die Tür hinter dem Herrn Lehrer zugeknallt hatte, aber Schimpfen und Türknallen sagten alles: Sieg. Sprich: Ende von freundschaftsverhindernden Bündnissen.
    Ralf kommt strahlend in die Schule, sitzt die Morgenstunden geduldig ab, die von einem mürrisch zerknirschten Dorflehrer ebenfalls mehr abgesessen als geleitet werden. Immer wieder schwenkt Ralfs Blick zum Försterssohn, selbstbewusst und siegessicher ist Ralf heute, in der großen Pause wird der Augenblick kommen, in dem sich das Blatt auch offiziell wendet. Ralf wird aufgenommen werden von der Gemeinschaft, denn, nein, der Dorflehrer und wir, wir stecken nicht mehr unter einer Decke. Die Freundschaft ist aufgekündigt, was endlich wahre Freundschaften ermöglichen wird. Noch reagiert der Försterssohn nicht auf Ralfs Blicke, denn noch weiß er nichts vom freudigen Verlauf der Dinge. Dann endlich schaut der Dorflehrer auf seine Armbanduhr, entlässt die Kinder zur Feier von Ralfs Glückstag früher als sonst in die Pause.
    Der Försterssohn sagt Fußball an, dem Strategen Ralf wird bewusst, dass er sich keine Taktik überlegt hat. Wie teilt man gemeinsame Feindschaft mit, die Freundschaft verspricht? Fußball kommt gar nicht gelegen.
    Schon wird jemand angewiesen, den Ball zu holen, schon schreitet der Kapitän zum Spielfeld, gleich werden Mannschaften gewählt. Ralf muss schneller sein, muss das Spiel aufhalten.
    Er eilt zurück zur Schulhausgarderobe, ist als Erster bei der Bank, unter der der Ball deponiert ist, dann rennt er dem Försterjungen hinterher.
    Als dieser den Balljungen bemerkt, will er ihm den Ball abnehmen. »Warte, ich muss dir was sagen«, sagt Ralf und weiß noch immer nicht, wie er beginnen soll. Der Försterssohn lässt sich nicht beeindrucken, greift wieder nach dem Ball. Ralf rückt ihn nicht heraus, ein Gerangel entsteht, ein kleiner Tanz, der Försterssohn lacht, dann schließt langsam der Rest der Schulkinder auf, sie schauen verständnislos zu. Das Grinsen verschwindet sofort vom Försterjungengesicht, er befiehlt, dass ihm der Ball auf der Stelle ausgehändigt wird.
    »Warte«, wiederholt Ralf, er ist selbstbewusster denn je, denn das Glück und das Recht sind heute auf seiner Seite.
    »Was?«, bellt ihm der Försterssohn entgegen, er ist sich seines Publikums wohl bewusst. Normalerweise gehört Ralf zu denjenigen, die lieber Fußball als Prügeln spielen wollen, und er selbst ist derjenige, der Schaukämpfe will, aber warum nicht mal was Neues?
    Ralf schaut in die Runde, er hat den Ball, er hat ein Publikum, er hat die volle Aufmerksamkeit. Jetzt müsste man eine Rede vorbereitet haben, jetzt bräuchte man Moritz’ Gabe, die einleitenden Phrasen würden den Boden bereiten für Ralfs feierliche Verkündigung der Sachlage, daraus ergäbe sich eine demütige Überleitung in das leichte Crescendo des Abschlusses, auf das zwingend Applaus und Zugehörigkeit folgen müssten. Aber statt ausgefeilter Sätze fallen bloß gestammelte Wörter aus Ralfs Mund: »Ich … Also … Gestern … Gestern war der Lehrer bei uns, aber nicht so wie … Jedenfalls, er hasst uns jetzt.«
    Das hätte besser sein können, aber Ralf ist auf der richtigen Fährte, gleich wird er Verständnis ernten und Lob, der Försterssohn wird ihn an der Schulter

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