Land Spielen
Fabian strampelt, sein Knie trifft beinahe das Kinn des Försterssohns, dieser lässt kurz los, Fabian beginnt mit Boxschlägen, der Försterssohn wehrt ab, schlägt seinerseits zurück. Fabian bekommt einen Arm zu fassen. Er beißt hinein. Heute gibt es keine Regeln.
Der Försterssohn schreit, umfasst den kleinen, aber agilen und überraschend skrupellosen Gegner um den Bauch, hievt ihn vom Treppenabsatz, drückt ihn auf dem Kies zu Boden, schürft dabei seine eigenen Arme auf, lässt daher los. Er bekommt Fabians Kopf zu fassen, versucht, dessen Gesicht in die Steine zu drücken.
Vom Sportplatz her kommt Ralf rennend hinzu. Wir sind ein Team, Ralf wird helfen, gemeinsam machen wir unserem Feind und Schulfriedenvermieser ein für alle Mal den Garaus. Die Kieselsteine bohren sich in Fabians Wange, er hört seinen Bruder etwas rufen. Mit neuem Elan kann er sich aus der kläglichen Lage befreien, steht endlich wieder auf beiden Beinen und dem Feind Aug in Aug gegenüber. Er spürt die Verstärkung im Rücken und will sich auf den Försterssohn stürzen, aber zu seiner Überraschung hält ihn Ralf von hinten zurück. »Spinnst du?«, schreit Ralf. »Hör auf!«
Fabian hat keine Zeit für Diplomatie, außerdem fehlt der Atem zum Sprechen. Er sieht, dass sich der Försterssohn entspannt, dass er sich nun endgültig überlegen fühlt: zwei gegen einen.
Fabian hat keine andere Wahl, als seinem großen Bruder eine Lektion in Kampftaktik zu erteilen. Die Technik heißt Steinschleuder, Fabian heißt das Geschoss: Er stemmt sich nach vorn, schlägt mit dem Ellbogen nach hinten aus, Ralf taumelt zurück, lässt los und Fabian schießt auf den Försterssohn zu. Der ist nicht gefasst auf den plötzlichen Angriff. Ehe er reagieren kann, hat Fabian ihn im Schwitzkasten. Die beiden stolpern kaum gebremst nach vorne. Der Försterssohn versucht nicht, die Bewegung zu stoppen. Solange er in Bewegung bleibt, kann er die Dinge kontrollieren, denkt er.
Fabians Ziel ist die Schulhausmauer, mit letztem Schwung stößt er den Kopf des Försterssohns gegen die Betonwand. Ralf schreit auf. Der Försterssohn schreit auf. Blut bleibt an der Wand kleben. Der Försterssohn sackt in sich zusammen.
Fabian lässt los, ist Sieger, auch wenn er weiß, dass es heute keine Feier geben wird.
Der Kampf ist aus, aber das Geschrei ist groß. Der größte Schreier ist der Dorflehrer, der nun endlich in der Tür steht. Die letzten Sekunden des Gefechts hat er noch mit ansehen können. Verhindern ließ sich nichts mehr, trotz Donnerstimme, mit der er jetzt Fabian anschreit, während er den Schaden (Försterssohn) besieht. Ob er (Fabian) denn verrückt geworden sei, ob wir (wir) eigentlich glaubten, dass wir uns alles leisten können. Wenn wir unsere Grenzen spüren wollten, sollten wir in den Wald gehen! Geht es eigentlich noch?! Geht’s (Försterssohn)? Und dann nochmals zu Fabian: »Bist du eigentlich wahnsinnig?!«
Ralf reibt sich sein vom Ellbogen getroffenes Kinn, schaut seinen Bruder feindselig an. Er würde jetzt gerne zum Försterjungen hingehen, aber da kniet schon der Dorflehrer. Der dreht sich nun zu den Schulkindern um, die etwas verspätet zum Kampfplatz kamen und sich in sicherem Abstand aufgestellt haben. Sie sollen alle nach Hause gehen, der Unterricht falle aus, verkündet der Dorflehrer. Kein Jubelgeschrei unter der Schülerschar, betretenes Scharren im Kies. Fabian ist der Einzige, der sich abwendet und gehen will, »Du bleibst hier«, herrscht ihn der Dorflehrer an. Dann spricht er von Krankenhaus und dass er da jetzt hinfahre.
Fabian solle nachsitzen und er solle nicht glauben, dass es damit getan sei, sagt der Dorflehrer. Er übergibt den Gefangenen seiner Frau, lädt den Verletzten in sein Auto und braust davon.
Die Frau Dorflehrer setzt sich mit Fabian ins Schulzimmer, statt einer Standpauke und einer konkreten Strafarbeit fragt sie einfühlsam, was denn los sei mit ihm. Fabian starrt bloß auf die zerkratzte Tischplatte seines Schulpults. Er wartet darauf, dass die Dorflehrerin aufhört zu reden, hofft, dass die Hand, die sie auf seinen Unterarm gelegt hat, da endlich wieder verschwindet.
Ada und Ralf trotten nach Hause, Ada drei Schritte hinter Ralf. Ralf ist wütend, Ada ist wütend. Ralf denkt, wie alles nur so schiefgehen konnte, er überlegt, wie das Leben jetzt weitergehen soll, dazugehören wird er nun definitiv nicht mehr. Ada denkt, dass das schönste Gesicht des Dorfes in Zukunft wohl eine Narbe ziert. Dann kommt
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