Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Mezger
Vom Netzwerk:
steiler, der Abgrund zu seiner Rechten wird tiefer, das Licht spärlicher. Der Atem übertönt alle Geräusche, auf die Fabian jetzt besser achten sollte: Immer wieder muss er die Luft anhalten, was war da?, war da was?, doch auch im Dunkeln Lauerndes scheint den Atemtrick zu beherrschen. Fabian versucht, gegen die Angst anzupfeifen, aber seine Lunge hat keine Kapazität für Zusatzaufgaben. Fabian ist Fabian ist ein Junge, nicht mehr so klein, aber auch noch lange nicht groß genug für so etwas hier. Ein kleiner Junge also, ein kleiner Junge, der sich so fabianös fühlt wie noch nie, seine Fabianhaftigkeit lässt ihn an seine Familie denken, denn Fabian ist schon lange kein Waisenkind mehr, er hat eine Mutter, die nie etwas sagt, einen Vater, der so viel sagt, dass er auch nichts mehr sagt, einen Bruder, dessen Ehre er verteidigt hat und der ihn deswegen hasst, und eine kleine Schwester, die – nein, gegen diese Schwester lässt sich wenig sagen, aber eine kleine Schwester ist noch lange kein Grund umzukehren. Der Möchtegernjugoslawe geht weiter, wartet auf einen besseren Grund als Angst, der ihn zum Umkehren überreden könnte.
    Nun führt der Weg in ein Wäldchen. Der kleine Junge folgt ihm, der kleine Junge hat noch nie solche Dunkelheit gesehen, er schlurft und hört, ob er noch auf dem Weg ist. Er schließt die Augen, öffnet sie wieder, es gibt keinen Unterschied. Er beschleunigt, wird zum Schnellschlurfer, die Arme vor sich ausgestreckt, die Dunkelheit dehnt sich endlos, Fabian beginnt zu schreien, vergisst das Schlurfen, trabt, rennt. Just in diesem Augenblick ist das Wäldchen zu Ende, beinahe geblendet fühlt sich der kleine Junge, der nun auf einmal wieder sehen kann, der nun hart abbremsen muss, denn der Weg macht eine scharfe Biegung, Abgrund tut sich auf vor kleinen Jungenfüßen. Fabian atmet durch, er starrt die Böschung hinunter, bloß nicht zurück in diesen Wald schauen. Fabian wendet den Blick auf die Fortsetzung des Weges, auf Angst folgt Schrecken, denn da steht jemand auf dem Weg.
    Der Jemand ist groß, ist dick, steht ruhig, sagt kein Wort.
    Auch Fabian bleibt stumm, nähert sich dem Großen, der immer größer wird, je näher der Kleine ihm kommt. Ein Riese erst, dann ein Kugelriese, dann ein sitzender Elefant. Fabian versucht, ein Gesicht zu erkennen, kann dieses Unding nirgends einordnen. Erst als er direkt davorsteht, wird aus dem Elefanten ein Felsbrocken. Mitten auf dem Weg liegt er, Fabian fixiert ihn, auf dass er sich nicht sofort wieder zurückverwandelt in den Kugelriesen oder in Schlimmeres. Er berührt den Felsbrocken, der ein Felsbrocken bleibt, versucht ihn zu umklettern. Hinter dem Hindernis ist kein Weiterkommen, eine Masse aus Schnee und Geröll zieht seine Spur quer über die Kiesstraße.
    Hier ist es: Fabians Argument umzukehren. Wäre nicht der Wald, er würde ihm wohl gehorchen. Aber so ist es klar, dass er nicht zurückkann, nicht zurück ins Dunkel, die Hütte kann nicht mehr so weit sein, einfach diesen Weg bis ganz nach hinten, da liegt die Alp, hatte Moritz gesagt. Nein, ein Jugoslawe fürchtet sich vor nichts, nicht einmal vor der Langeweile, und auch Fabian will sich nicht mehr fürchten, will weiter, weil er nicht zurückkann, kraxelt die Böschung erst hoch und dann runter, schürft sich die Hände an Steinen, stößt sich die Knie, sucht und findet Tritt und Halt.
    *
    »Ich brauche euer Auto.« Keine Bitte, denn es ist keine Frage. Das Warum ist schnell geklärt, lässt sich in ein paar Halbsätzen zusammenfassen.
    Die Dorflehrersfrau starrt Moritz an, sagt: »Andreas ist bei der Feuerwehr.«
    Moritz braucht keinen Feuerwehrmann, braucht den Dorflehrer nicht, er braucht sein Auto, muss testen, ob der Allradantrieb hält, was er verspricht, er war Kaufargument für Herrn Dorflehrer, Moritz wird den Beweis antreten, dass sich die Anschaffung gelohnt hat. Während der Dorflehrer mit dem Fahrrad zur Feuerwehrübung fuhr, muss Moritz steinige Straßen hochheizen, um unseren Ausreißer einzuholen. »Ich komme mit«, sagt Christine, Moritz will es ihr ausreden, will lieber selbst fahren, sagt, das sei nicht nötig, er komme schon zurecht, Fabian könne noch nicht allzu weit sein. Aber Christine händigt den Schlüssel noch immer nicht aus. Es kann also nicht überzeugend geklungen haben.
    So hat Christine Moritz noch nie gehört und gesehen, er ist außer Atem, er zittert, dem Redner sind die Sätze ausgegangen. Es muss an dem Herumhasten im Dorf liegen, am

Weitere Kostenlose Bücher