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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Mezger
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hier?!«
    Der kleine Junge stammelt von etwas, was früher vielleicht einmal ein Plan war, er wird scharf unterbrochen von einer Ohrfeige und der Ohrfeige folgt eine Schimpftirade. Und weil seine Wange dermaßen surrt und brennt, kann Fabian kaum hinhören, kann nicht einmal lachen über die lustigen Betonungen seines Freundes. Von Spinnen ist die Rede, von Gott, das dazwischen werden Flüche sein, sie sind in jeder Sprache gleichermaßen unverständlich und eindeutig. Was er eigentlich glaube, in welche Scheiße ihn Fabian bringe, fragt Mirko, wartet nicht auf eine Antwort, tobt weiter, dass sie ihm anhängen werden, er habe einen kleinen Jungen entführt, so könne er es vergessen, jemals wieder Arbeit zu finden. Dann ahmt Herr Mirko wieder einen Fluch der Hiesigen nach, etwas, was bei Fabian ansonsten immer allergrößte Heiterkeit hervorrief, nun starrt er seinen ehemaligen Freund bloß an. Er hört ihm zu, wie er mit sich selbst in der eigenen Sprache spricht und dann verständlicher fragt, wie er ihn, Fabian, denn bitteschön ins Tal zurückbringen solle, er habe Arbeit zu erledigen hier. »Und außerdem«, fügt Mirko an, »Jugoslawien, es gibt schon lange nicht mehr!«
    *
    Eine Frau und ein Mann im Auto, das Auto ist geländetauglich, die Fahrerin ungeübt, der Beifahrer starrt in die Nacht. Obwohl es dunkel geworden ist und die Lage nicht besser, obwohl der Sohn immer noch als verloren gilt, hat sich die Stimmung etwas entspannt. Wohl weil man sich an alles gewöhnt, auch an die Verzweiflung. Wohl weil man sich vor einer Stunde zu Aktionismus entschieden hat und jetzt im Auto sitzt, den engen Kiesweg hochgefahren wird. Langsam ist man unterwegs, denn der Weg ist steil, ist gewunden, die Kurven sind unberechenbar wie der Untergrund, der Abgrund ist nah, die Lichtverhältnisse schlecht. Doch gerade Letzteres befeuert die Hoffnung: Noch um diese Biegung, da, hinter dem nächsten Felsvorsprung, da wird er auftauchen, wird stehen bleiben, wird ins Scheinwerferlicht starren, Fabian, unser kleiner Bergsteiger, unser Ausreißer, unser Draufgänger, er ist nicht draufgegangen, da steht er! Und man würde aussteigen, ihn in die Arme nehmen oder ohrfeigen oder beides. Nur diese eine Kurve noch, weit kann er nicht gekommen sein, der Vorsprung müsste sich längst aufgelöst haben, aufgelöst wie die bedrückte Stimmung, die ja dann doch immer Sarkasmus Platz macht, bevor sie endlich Wiedersehensfreude und Erleichterung weichen kann.
    »Wir müssten ihn längst eingeholt haben«, sagt Christine und wehrt damit die aufsteigende Hoffnung ab, schürt diesen leisen Zweifel, den man von Anfang an hatte: Hat Fabian überhaupt diesen Weg genommen?
    Moritz klammert sich am Griff über der Tür fest, den Daumen verkeilt im Plastikkleiderhaken, der immer an diesen Griffen ist. Wer benutzt den? Wer hängt schon sein rechtes Fenster mit einer Jacke zu oder mit einem Anzug, der nicht knittern darf? Wer transportiert schon einen Anzug in so einem halben Geländewagen, der offensichtlich nur für Städter entwickelt wurde und für Möchtegernwegabweichler? Moritz quetscht den Finger tiefer in den Haken, verstärkt den Druck auf den Fingernagel mit einer Drehung des Daumens, er wartet auf den Schmerz, den man jetzt endlich spüren sollte, aber das Hirn hat wohl anderes zu tun, als auf selbstinszenierte Signale zu reagieren.
    »Meinst du, es ist unsere Schuld?«, fragt Moritz ins Leere.
    Christine weiß nicht, was sie antworten soll. Sie weiß nicht, wessen Schuld es ist. Sie weiß nicht, ob es überhaupt jemandes Schuld ist. Und vor allem: Sie weiß nicht, wer mit »uns« gemeint ist.
    Moritz scheint wirklich auf eine Antwort zu warten, Christine schweigt, will etwas Tröstendes sagen, etwas Beruhigendes, es fällt ihr nichts ein außer dem oft gehörten »Alles wird gut«, also schweigt sie und also ist sie beinahe froh, als die Scheinwerfer, die bis jetzt ins Leere schienen, auf einmal etwas Großes, Graues beleuchten. Das Hindernis wirft das Licht zurück, Christine fühlt sich geblendet, dann endlich drückt sie das Bremspedal durch, das Antiblockiersystem greift, die Bremsen geben eine kurze Maschinengewehrsalve von sich, Christine reißt das Steuer nach links, weg vom Abgrund hin zur Böschung, sie stemmt sich gegen das Steuerrad, drückt sich in den Sitz, während Moritz nach vorne geschleudert wird. Der Sicherheitsgurt stoppt seine Bewegung mit einem resoluten Klack. Das Ganze hat keine drei Sekunden gedauert, jetzt steht der

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